2004-05-31: Tragisches Bootsunglück in der Seegrotte

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Tragisches Bootsunglück in der Seegrotte

Text und Bilder: Gottfried Bauer / BFK Mödling

Einen dramatischen Rettungseinsatz hatten Feuerwehren des Bezirkes Mödling sowie Taucher der Tauchgruppe NÖ Süd am Pfingstmontag, 31. Mai 2004 zu bewältigen.
Um 9.55 Uhr löste die Bezirksalarmzentrale Mödling Alarm für die FF Hinterbrühl aus, nachdem dort per Telefonnotruf die Meldung eingelangt war, dass im Schaubergwerk „Seegrotte“ ein vollbesetztes Rundfahrtboot gekentert sei. Kurz darauf forderte der Einsatzleiter der FF Hinterbrühl, ABI Franz Sittner, weitere Feuerwehrkräfte und Taucher zur Verstärkung an. Es wurden daraufhin die Freiwilligen Feuerwehren Sparbach, Weissenbach, Gießhübl und Gaaden zur Einsatzstelle beordert und die Feuerwehr-Tauchgruppe NÖ Süd alarmiert, ebenso das Bezirksfeuerwehrkommando Mödling.

Situation beim Eintreffen der Feuerwehr
Am Einsatzort in der Seegrotte bot sich den Feuerwehrkräften folgende Situation dar: Am Ende einer Rundfahrt am unterirdischen See – der Höhepunkt jeder Führung durch das Schaubergwerk – war ein mit 28 Passagieren und dem Bootsführer besetztes Rundfahrtsboot ca. 100 Meter von der Anlegestelle entfernt gekentert. Es trieb mit dem Rumpf nach oben im Wasser. Ein Großteil der Insassen hatte sich retten und durch das nur ca. 1,2 bis 1,5 m tiefe Wasser zur Anlegestelle waten können. Durchnässte Personen kamen den Einsatzkräften entgegen. Mehrere Personen waren vermisst.

Suche nach Vermissten
Mit dem Schlauchboot der FF Hinterbrühl und mit dem zweiten Rundfahrtboot wurde die Unglücksstelle angefahren und sofort mit der Suche nach den Vermissten begonnen – Feuerwehrmänner sprangen sogar in der Einsatzbekleidung ins 11 Grad kalte Wasser. Eine Frau wurde leblos aufgefunden und zur Anlegestelle gebracht, wo ein Notarztteam sofort mit Wiederbelebungsmaßnahmen begann. In der Folge wurde das gekenterte Boot zur Anlegestelle geschleppt. Inzwischen waren die alarmierten Feuerwehrtaucher eingetroffen und begannen sofort mit der Suche nach insgesamt vier Vermissten. Binnen weniger Minuten konnten diese von den Tauchern unter dem Boot ertastet werden – das ansonsten kristallklare Wasser war durch aufgewühlte Sedimente so trüb geworden, dass die Sichtweite unter Wasser gleich Null war. Unter größten Anstrengungen wurden die Verunglückten von den Tauchern unter dem Boot hervor gezogen, zwischen der Reeling des gekenterten Bootes und dem Grund war nur ein zirka 30 bis 40 Zentimeter breiter Spalt vorhanden. Bereitstehende Notarztteams übernahmen die Geborgenen und begannen umgehend mit der Reanimation.

Insgesamt mehr als eine Stunde lang kämpften Ärzte und Sanitäter um das Leben der Opfer – leider vergeblich. Bei den Todesopfern handelt es sich zwei Frauen (64 und 72 Jahre alt) und einen Mann aus der Bundesrepublik Deutschland (75) sowie um eine Frau aus Belgien (64). Fast alle Bootsinsassen waren Mitglieder einer deutschen Reisegruppe aus dem Raum Aachen.
Gegen 12.30 Uhr war der Rettungseinsatz der Feuerwehren beendet. 79 Feuerwehrleute sind daran beteiligt gewesen. Das Rote Kreuz war mit 35 Sanitätern, 7 Notärzten und einem Psychologen vor Ort. Weitere 25 Psychologen und Mitglieder des Kriseninterventionsteams, KIT, betreuten die Überlebenden des Unglücks.
Im Einsatz standen auch drei Priester, davon zwei Feuerwehrkuraten.

Feuerwehr auf Zwischenfälle vorbereitet
Auch bei den Einsatzkräften herrscht über das Unglück in der Seegrotte tiefe Betroffenheit. Seit Jahrzehnten gab es in dem Schaubergwerk, das jährlich von rund 250.000 Touristen besucht wird, keinerlei Zwischenfälle. Dennoch waren die Einsatzkräfte auf das Großschadensereignis gut vorbereitet. Es gibt entsprechende Notfallpläne, nach denen bei diesem Einsatz auch vorgegangen wurde. Wegen des Sees in der Seegrotte verfügt die FF Hinterbrühl auch über ein Schlauchboot. Immer wieder haben im ehemaligen Gipsbergwerk Übungen und Begehungen der Feuerwehr stattgefunden.
Zum unterirdischen See gelangt man durch einen schmalen, rund 300 Meter langen Stollen.

Möglicherweise weitere Feuerwehreinsätze in der Seegrotte
Unmittelbar nach Ende der Rettungsaktion sind Untersuchungen der Kriminalabteilung Niederösterreich und des Gerichts zur Klärung der Unfallursache angelaufen. Bis zum Abschluss dieser Ermittlungen dürfen keinerlei Veränderungen am Unglücksort vorgenommen werden. Das Schaubergwerk wurde behördlich gesperrt. In den nächsten Tagen könnte es dennoch zu weiteren Feuerwehreinsätzen in der Seegrotte kommen, etwa zur Bergung des gekenterten Bootes. Höchstwahrscheinlich befinden sich auch noch persönliche Gegenstände der Bootsinsassen im Wasser, sodass auch ein weiterer Taucheinsatz denkbar wäre.

Medien-Bericht des ORF
Hat menschliches Versagen oder technisches Gebrechen den Tod von fünf Touristen in der Seegrotte Hinterbrühl verursacht? Diese Frage sollen die Ermittlungen der Gendarmerie klären. Ein Sachverständiger wird beigezogen.
Was das Ausflugsboot mit 29 Menschen in der Seegrotte Hinterbrühl zum Kentern gebracht hat, war auch am Dienstagvormittag unklar. Eines dürfte nach ersten Ermittlungen der Gendarmerie fest stehen: Die Passagiere sind unschuldig an dem Bootsunglück. Laut Oberst Franz Polzer von der Kriminalabteilung im nö. Landesgendarmerie gibt es keine Hinweise, dass heftige Bewegungen der Passagiere das Boot zum Kentern brachten. Alle Passagiere seien auf ihren Plätzen gewesen. 4 Deutsche und eine Belgierin ertranken unter dem Boot. Sie wurden unter dem Wasserfahrzeug eingeschlossen. Die anderen versuchten, sich am Boot festzuhalten oder ans Ufer zu schwimmen.
Oberst Franz Polzer 'Es kam dann zu einer verhängnisvollen Situation, nachdem das Boot gekippt war. Mehrere Menschen waren unter dem Boot zu liegen gekommen, waren gefangen. Eine Menge von gekenterten Menschen sind draußen geschwommen und haben sich zum Teil am Boot festgehalten. Mit ihrer Körperkraft haben sie es zusätzlich nach unten gedrückt und jeden Fluchtweg versperrt.'
Einem Hinweis wird der Sachverständige, der am Dienstag in der Seegrotte erwartet wurde, nachgehen. Nach Auskunft des Bootsführers war das Wasserfahrzeug von Anfang an rechtslastig. Er habe dann versucht, mit seinem eigenen Körpergewicht, das er nach links verlagerte, dagegen zu halten, sagte der Mann den Ermittlern. Es wird in zwei Richtungen ermittelt: Technisches Gebrechen oder menschliches Versagen. "Ob es ein Fahrfehler ist, den der Bootsführer mit seinem leichten Elektromotor gemacht hat, können wir noch nicht sagen. Wir können auch nicht sagen, was der Sachverständige sagen wird, der vom Gericht bestellt wird", sagt Oberst Polzer. Der Sicherheitsverantwortliche der Grotte betonte gegenüber den Ermittlern, alle Sicherheitsvorschriften seien eingehalten worden, es seien auch nicht mehr Menschen an Bord gewesen, als vorgesehen. Der Bootsführer soll erst vor kurzem eingestellt worden sein.
Die Befragung der Überlebenden wurde Montagnacht abgeschlossen, auch die Toten waren zu diesem Zeitpunkt obduziert. Die Ermittler werden am Montag wieder in die Grotte einsteigen. Diese bleibt bis auf weiteres gesperrt. Die Seegrotte bei Hinterbrühl gilt als beliebtes Ausflugsziel. Das Gewässer in der Grotte ist der größte unterirdische See Europas.
Für Angehörige wurde eine Hotline eingerichtet: Auskünfte unter 02236/26249 (aus Deutschland: +43-2236/26249). Die Überlebenden des Unglücks stehen unter schwerem Schock und werden psychologisch betreut.




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