Fireworld - Detailnachrichten
Die Seilbahnkatastrophe von Kaprun
Ein Bericht von
Hermann Kollinger
Anmerkung des Autors: Dieser Beitrag ist nach bestem Gewissen
aufgrund der persönlichen Erfahrungen sowie anhand der zur Verfügung
stehenden Unterlagen entstanden. Sinn und Zweck ist es, die teilweise übermenschliche
Arbeit der Einsatzkräfte, hier im speziellen der Feuerwehrmitglieder,
aufzuzeigen und zu dokumentieren. Als Druckwerk finden Sie diese Reportage
auch im Buch "Hilfe,
die ans Limit geht".
Die nachträglichen Meldungen der Medien dienen der ergänzenden
Information!
Der 11. November 2000 wird vermutlich als schwärzester
Tag seit dem II. Weltkrieg in die österreichische Geschichte eingehen.
Nicht weniger als 155 Menschen kamen beim Brand einer Schrägseilbahn
auf das Kitzsteinhorn in Kaprun ums Leben. Trotz des massiven Einsatzes an
Helfern kam jede Hilfe zu spät. Nur wenige Insassen der Seilbahn konnten
das rettende Tunnelportal erreichen und somit überleben.
Die Hundertschaft von Einsatzkräften wurde an diesem 11. November vor
eine sehr schwierige Prüfung gestellt, viele vor eine physische, alle
vor eine psychische. Die hohe Anzahl von Toten und auch die Tatsache, trotz
umfangreichster Ausrüstung und unzähligem Personal trotzdem nicht
mehr helfen zu können, machte den Einsatzkräften sehr zu schaffen.
Das Gefühl der Machtlosigkeit machte sich breit...
Blick von der Talstation in die Tunneleinfahrt!
Samstag, 11. November 2000. In Kaprun, Bundesland Salzburg,
scheint es, als würde es ein herrlicher Tag werden, der ideale Bedingungen
für die Schifahrer am Kitzsteinhorn bieten würde. Zu diesem Zeitpunkt
konnte noch niemand ahnen, dass dieser Tag einer der schwärzesten Österreichs
werden und hunderten von Einsatzkräften der verschiedensten Organisationen
einen der größten Einsätze bedeuten würde. Der Stolz
einer ganzen Region, die Schrägseilbahn von Kaprun, fiel am frühen
Vormittag im Tunnelbereich einem Brand zum Opfer. 155 Menschen starben, nur
wenige konnten sich retten.
Technische Details
Der Gletscherzug Kaprun 2 war seit 1974 in Betrieb und brachte pro Stunde
1.240 Personen vom Tal auf das Kitzsteinhorn. In den letzten 26 Jahren wurden
damit über 14 Millionen Menschen befördert. Um von der auf 911 Meter
Seehöhe liegenden Talstation auf die 2.446 Meter Seehöhe liegende
Bergstation zu gelangen, fuhr der Zug durch einen 3.298 Meter langen Bergstollen,
der einen Durchmesser von 3,60 Meter aufweist. Die Strecke weist einen durchschnittlichen
Neigungswinkel von 42,8% auf, wobei Spitzen bis zu 50% erreicht werden.
Im Tunnelstollen selbst befindet sich zu Revisionszwecken eine Eisenstiege
mit insgesamt 10.303 Stufen. Seit 1994 verkehrten auf dieser Schrägseilbahn
zwei neue, mit voller Beladung je 38 Tonnen wiegende Zugsgarnituren. 1997
wurde die Strecke zum letzten Male behördlich untersucht und erst im
September 2000 fand die letzte, laufende Revision statt.
Das aus 198 Drähten geflochtene Zugseil weist einen Durchmesser von 48
mm, das Spannseil einen Durchmesser von 29 mm auf. In der Mitte des Tunnel
befindet sich eine Ausweichstelle, an der die beiden Zugsgarnituren aneinander
vorbeifahren. Diese Mittelstation ist über einen 638 Meter langen Querzugangsstollen
von außen erreichbar.
Der "Gletscherdrachen" von Kaprun, diese Garnituren standen
erst seit 1994 im Dienst.
Der Beginn der Katastrophe
Um 09.02 Uhr verließ der Gletscherzug, vollbesetzt mit 162
Menschen, die Talstation. Nach rund 600 Metern im Freien fuhr die Garnitur
mit einer Geschwindigkeit von rund 10 m/sek. in den Tunnel ein. Kurze Zeit
später blieb der Zug mit einem Ruck stehen, als einige Passagiere das
Feuer im unteren, nicht besetzten Führerstand registrierten. Um 09.10
Uhr meldete der Zugsführer den Brand und erhielt die Anweisung, sofort
alle Türen zu öffnen und die Insassen zu evakuieren. Wenig später
brach der Funkkontakt ab...
Zwischenzeitlich brach Panik aus, kurze Zeit später fiel der Strom und
somit auch das Licht aus. Scheiben wurden eingeschlagen, um den Zug verlassen
zu können, da in der panikerfüllten Situation anfangs die Notentriegelung
nicht gefunden wurde. Einige Passagiere sprangen durch das Fenster, nachdem
sie diese mit ihren Schistöcken bzw. Schiern eingeschlagen hatten.
Im Schein des Feuers nach unten
Einer jener, der den rettenden Weg nach unten eingeschlagen hatte, rief den
anderen noch zu, nicht nach oben, sondern nach unten zu flüchten. Nur
wenige folgten ihm ans rettende, untere Ende des Tunnels. Im Schein des sich
rasend schnell ausbreitenden Feuers - auch von kleineren Explosionen war die
Rede - stolperte diese kleine Gruppe von 12 Leuten an das untere, lebensrettende
Tunnelportal...
Alle anderen Zugsinsassen versuchten währenddessen, entlang der schmalen
Eisenstiege den sich mit immer mehr mit Rauch füllenden Tunnel nach oben
hin zu verlassen. Die hohe Anzahl an Menschen in einer derartigen Paniksituation
sowie die engen Räumlichkeiten machen jedoch die Flucht in Schischuhen
und im Dunkeln unmöglich. Zu schnell hatte sich das Feuer ausgebreitet
bzw. hatte der dichte Qualm die Flüchtenden eingeholt...
Die Einsatzmannschaften machen sich und das Gerät bereit zum Transport
mit den Hubschraubern!
Rasende Rauchgeschwindigkeit
Die Steigungswinkel der Schrägseilbahn begünstigt den so genannten
Kamineffekt enorm. Dadurch wurde es auch möglich, dass sich der Brandrauch
nahezu explosionsartig in Richtung Bergstation bewegte und sogar dort noch
- nach einer Distanz von nahezu drei Kilometern - die Scheiben bersten ließ.
Die blitzartige Verqualmung des gesamten Alpincenters auf der Bergstation
ließ für drei Personen keine Flucht mehr zu, ein Angestellter der
Gletscherbahnen Kaprun AG sowie zwei Touristen kamen im Rauch um. Chancenlos
war auch die Lage jener beiden Personen, des Zugsführer sowie eines Touristen,
die sich in der talwärts bewegenden Zugsgarnitur befanden. Auch sie erstickten
in den nach oben rasenden Rauchmassen...
Räumung der Talstation
Zwischenzeitlich registrierte man das Ausmaß der Katastrophe auch im
Tal. Sofort wurde damit begonnen die Einsatzkräfte zu alarmieren sowie
die Talstation von den unzähligen Schihungrigen, die sich der Katastrophe
teilweise noch gar nicht bewusst waren, zu räumen. Für die Talstation
bestand die Gefahr, dass das im Tunnel wütende Feuer die Bremsen des
Zuges lösen könnte und die über 30 Tonnen wiegende Garnitur
nach unten rast.
Die Medien waren bei der Katastrophe ein ganz eigenes Thema. In vielen
Fällen war eine objektive
und menschliche Berichterstattung alles andere als selbstverständlich.
Alarmierung der Einsatzkräfte
Um 09.12 Uhr heulte die erste Feuerwehrsirene, jene von Kaprun. Der Feuerwehrsirene
von Kaprun folgten kurz darauf viele weitere. Ein Feuerwehrmann erzählte
später dem Autor: ?Ich befand mich zum Zeitpunkt der Alarmierung im nahegelegenen
Zell am See. Ich konnte den Spruch bei der Alarmierung anfangs gar nicht glauben,
da niemand von uns gerechnet hatte, dass ein Fall wie dieser jemals eintreten
könnte. Ich hatte ein Fernglas im Auto und bevor ich zur Feuerwehr eilte,
warf ich damit einen Blick in Richtung des Kitzsteinhorns. Ich traute fast
meinen Augen nicht, was ich sah: Dichter Brandrauch quoll aus der Bergstation...?.
Ein weiteres Feuerwehrmitglied einer auswärtigen Feuerwehr: ?Als wir
alarmiert wurden, dachte wir eigentlich an eine nicht angekündigte Einsatzübung.
Aber einen Brand der Schrägseilbahn konnte sich keiner vorstellen, auch
wenn das im weiteren Verlauf auf traurigste Art und Weise widerlegt wurde.
Die Feuerwehr Kaprun rückte um 09.15 Uhr Richtung Einsatzort ab. Um 09.17
Uhr setzte sich auch die bereits in Bereitschaft stehende Feuerwehr Zell am
See mit einem KDO-F, mit dem Atemschutzfahrzeug sowie einem TLF-A 2000 (zusätzlich
mit 6 AZ-Geräten BD96 mit Compositeflaschen) in Marsch .
In der darauf folgenden Zeit war Kaprun vom Anrücken vieler Einsatzfahrzeuge
geprägt: Feuerwehr und Rettung lösten Großalarm aus. Hubschrauber
des Bundesheeres, des deutschen Bundesgrenzschutzes sowie des Innenministeriums
rückten an, um die Einsatzkräfte sowie die Einsatzgeräte zu
den benötigen Stellen zu transportieren bzw. die Verletzten überstellen
zu können.
Links: Die Einsatzleitung und der Hubschrauberlandeplatz werden in der
Nähe der Talstation eingerichtet.
Rechts: Hubschrauber transportieren Mannschaft und Gerät
Eintreffen am Einsatzort
Der erste Erkundungstrupp der Feuerwehr Kaprun drang über die Brücke
bis zum Tunnelportal vor. Unverzüglich wurde die Alarmierung weiterer
Kräfte in Auftrag gegeben. Diesem ersten Trupp kamen auch die wenigen
Überlebenden der Katastrophe entgegen...
Um 09.35 Uhr riss das Zugseil der Gletscherbahn, worauf unmittelbar darauf
Alarmstufe 4 ausgelöst wurde. Die bereits anwesenden Feuerwehren Zell
am See sowie die BTF Tauernkraftwerke und die nachgerückten Feuerwehren
Bruck und Piesendorf begannen um 09.40 Uhr mit der Einrichtung des Hubschrauberlandesplatzes.
Die erste Lagebesprechung um 09.45 Uhr, dass sich ca. 180 Personen im Zug
befänden und mindestens eine weitere in der talabwärts fahrenden
Garnitur. Kurz darauf, um 10.00 Uhr, trafen die ersten Hubschrauber ein.
Bildung von drei Einsatzabschnitten
Um 10.10 Uhr wurden drei Einsatzabschnitte festgesetzt: Bergstation (Alpincenter),
Mitte (Zugangsstollen zum Tunnel) sowie Tal (=Hubschrauberlandeplatz).
Vom Hubschrauberlandeplatz wurden die Einsatzkräfte nach und nach per
Hubschrauber auf die Mittel- und auf die Bergstation gebracht. Letztere befindet
sich auf einer Seehöhe von 2.446 Meter und war beim Eintreffen der ersten
Feuerwehrmänner bereits völlig verqualmt. Ein aus drei Mann bestehender
Atemschutztrupp drang in das Alpincenter vor und entdeckte bereits nach wenigen
Metern eine am Boden liegende Person. Der Trupp brachte den Mann um 11.34
Uhr nach draußen. Auf diese Weise gelang es, zumindest ein einziges
Menschenleben zu retten. Im Bereich der Toilette sowie im Maschinenraum fand
der Trupp leider nur mehr leblose Körper. Insgesamt sind in der Bergstation
drei Menschenleben zu beklagen.
Die im Bereich des Alpincenters aufgrund eines geplanten Snowboard-Events
aufgestellten Zelte wurden von den Rettungskräften umgehendst in eine
Versorgungsstation für die Verletzten und die Einsatzkräfte selbst
umfunktioniert.
Löschmaßnahmen waren im Bereich der Bergstation keine notwendig,
da diese ja nur verqualmt war.
Die Einsatzkräfte der Feuerwehren waren mit Langzeitatmern sowie
Composite-Flaschen (Twin Pack)
ausgerüstet. Erste bieten eine Einsatzdauer bis zu vier Stunden, letztere
theoretische 90 Minuten.
Erkundung über den Querstollen
Während ein Teil der Rettungskräfte auf der Bergstation ihr Möglichstes
versuchte, wurde ein Teil der Helfer per Hubschrauber auf die Mittelstation
gebracht. Dort befindet sich eine kleine Jägerhütte, welche von
den beiden Inhabern umgehendst zur Versorgungsstation sowie zum Atemschutzsammelplatz
der Einsatzkräfte modifiziert worden ist.
Ziel war es, nach Möglichkeit über den 638 Meter langen Querstation
bis zur Mittelstation und von dort bis zur Unglücksstelle vorzudringen.
Eine Ersterkundung ergab, dass dieser völlig verqualmt sei. Die Bedingungen
dafür waren somit zusätzlich schwieriger, als sie auch so schon
waren: Zum einen geht es im Verbindungsstollen bergab - was speziell den Rückweg
erschwert - und zum anderen musste der Atemschutztrupp, sobald er die Mittelstation
erreichte, nochmals 800 Meter nach unten, um zur Einsatzstelle zu gelangen.
Der letzte Teil des Weges hieß im Klartext: 2.000 kleine Stufen nach
unten! Mit herkömmlichen Pressluftatmern war dieses Vorhaben ein nahezu
lebensgefährliches Unterfangen, da der Weg und die entsprechende Belastung
ein hohes Maß an Zeit erforderte und der Atemluftverbrauch beim Rückzug
größer war, als jener beim Angriffsweg.
Zwischenzeitlich drangen über das Tal-Tunnelportal immer wieder Erkundungstrupps
bis ca. 200 Meter in den Stollen vor, die Hochleistungslüfter in Stellung
brachten, um den Rauchabzug zu beschleunigen. Weitere Hochleistungslüfter
wurden zum Transport per Hubschrauber zur Mittelstation als auch zum Alpincenter
auf der Bergstation vorbereitet.
Im Bereich der Talstation wurde der Atemschutzsammelplatz eingerichtet,
standen in Summe nicht weniger als 276 Atemschutzträger
im Einsatz bzw. in Bereitschaft. Am Sonntag stellte das Bundesheer drei Hubschrauber
zur Verfügung.
1. Lagebesprechung
Um 12.05 Uhr fand in der Räumen der Talstation die erste Lagebesprechung
statt. In dieser wurde es zur traurigen, unwiderlegbaren Sicherheit, dass
keine Hilfe mehr möglich ist. Bei der von der Talstation aus bis zur
Unglücksstelle vorgenommenem Erkundung wurden keine Überlebende
gesichtet. Weiters musste festgestellt werden, dass der Zug vollständig
ausgebrannt ist. Aufgrund der starken Verqualmung bestand im Tunnel keinerlei
weitere Überlebenschance.
Menschliche Extrembelastung
Um 13.13 Uhr brachen zwecks exakter Lagebeschreibung zwei Atemschutztrupps,
ausgerüstet mit Langzeitatmern, zur Unglücksstelle auf. Ausgangspunkt
war der Querstollen auf der Mittelstation.
Den sich dem Wrack nähernden Feuerwehrkräften bot sich ein Bild,
dass sich für immer in ihr Gedächtnis einprägen wird: Rund
60 Menschen lagen bergwärts bis ca. 50 Meter Entfernung vor dem völlig
ausgebrannten Zug. 50 Meter, wo sie während ihres Fluchtversuches vom
giftigen Qualm eingeholt worden sind.
Die Atemschutzträger begaben sich mit dem Vorrücken in den nach
wie vor stark verrauchten Stollen selbst in höchste Gefahren. Aufgrund
des Feuers waren Teile der Eisenstiege geschmolzen und verbogen, so dass es
höchster Konzentration bedurfte, so sicher als in dieser Situation überhaupt
möglich, vorzugehen. Bis auf die 12 Personen, die sich nach unten retten
konnten, starben somit alle weiteren Insassen des Gletscherdrachens. Die traurige
Bilanz des Unglücks belief sich am Ende auf nicht weniger als 155 Tote.
Aufgrund der traurigen Tatsache, dass jede weitere Hilfe zu spät kam,
wurden die direkten Einsatzmaßnahmen am späteren Nachmittag (gegen
17.00 Uhr) eingestellt. Nach wie vor bestand aufgrund des gerissenen Zugseiles
die Gefahr, dass das Wrack zurück in die Talstation rast. Nach wie vor
konnte nicht sicher festgestellt werden, wie weit der Zug an der Unglücksstelle
verankert ist bzw. aufgrund des starken Verbrennungsgrades die Wirksamkeit
der Bremsen noch vorhanden war. Ebenso war nicht sicher, wie weit das zweite
Seil nach der Hitzeeinwirkung den Kräften noch standhielt. Fest stand,
dass die ausgebrannte Garnitur nicht 100%ig gegen ein Abrutschen gesichert
war und zu dieser Zeit auch nicht gesichert werden konnte. Die genannten Angaben
ergaben sich aus den Meldungen der beiden Atemschutztrupps, die um 16.20 Uhr,
also nach einer Einsatzzeit von drei(!) Stunden wieder zurückgekehrt
sind!
Links ist der Eingang zum über 600 Meter langen Querstollen, über
den die Mittelstation erreicht werden kann.
Rechts LFKDT Brandauer bei einem Lokalaugenschein auf der Mittelstation.
2. Zug gesichert
Um 15.05 Uhr stieg ein Atemschutztrupp beim Alpincenter in den Tunnel ein
(BD96 mit Compositeflaschen, Twin Pack). Mit dieser Ausrüstung besteht
eine theoretische Einsatzzeit von rund 90 Minuten. Aufgabe dieses Trupps war
es, auch in diesem Bereich weitere Erkundungsmaßnahmen durchzuführen
sowie den Bergwaggon zu sichern. Seitens der Einsatzleitung wurde mit Beginn
dieses Einsatzes der Befehl weitergeleitet, dass ein weiterer AS-Trupp sich
mit zusätzlichen Reservegeräten zum Fluchtstollen (Einmündung
in den Tunnel) begeben soll, um die in weiterer Folge von oben her kommenden
Einsatzkräfte in Empfang zu nehmen. Diese stellten bei ihrer Kontrollgang
fest, dass sich im Zug mindestens ein Todesopfer befand (später erhöhte
sich diese Zahl aufgrund eines talwärtsfahrenden Touristen auf 2). Der
Einheit gelang es auch, den im Grunde unbeschädigten Bergwaggon zu sichern.
Checkpoint für die Überlebenden
Da aufgrund der Abgängigkeitsmeldungen bei weitem nicht alle Namen der
Verunglückten bekannt waren, wurde zu einer recht effizienten Maßnahme
gegriffen: Das Rote Kreuz richtete ab ca. 12.00 Uhr mittags einen Checkpoint
ein, den alle Gäste des Kitzsteinhorns bei der Heimfahrt passieren mussten.
In Vierer-Reihen wurde jedes Fahrzeug angehalten und die Identität aller
darin befindlichen Personen schriftlich festgehalten. Dadurch wurde es ermöglicht,
bis am Abend im Internet sowie den ebenfalls eingerichteten Hotlines eine
Liste mit jenen Personen zu übermitteln, die sich mit absoluter Sicherheit
unter den Überlebenden befanden. Somit konnte auch der Kreis der Betroffenen
mehr und mehr eingegrenzt werden.
Die Gäste des Kitzsteinhornes wurden im Notbetrieb mit der Gondel-Seilbahn
zur Talstation gebracht, da durch den Brand auch Teile dieser Anlage in Mitleidenschaft
gezogen worden ist.
Mit Hilfe eines kleinen Kettenfahrzeuges werden Geräte und Materialien
bis zur Mittelstation im Tunnel vorgebracht.
Diese Arbeiten sind zu diesem Zeitpunkt nur mit schwerem Atemschutz durchführbar.
Pressekonferenzen, Einsatzleitungsbesprechung
In der Sporthalle von Kaprun wurde am Samstag bereits um 10.40 Uhr das Pressezentrum
eingerichtet, um den zahlreichen Journalisten im Zuge von Pressekonferenzen,
die erste fand um 13.00 Uhr statt, Rede und Antwort zu stehen. Zum Thema Presse
geht der Beitrag später noch ein. Abseits dieser Stellungnahmen vor der
Presse fanden in kontinuierlichen Abständen Besprechungen der Einsatzleitung
statt, um das weitere Vorgehen abzustimmen. Am späten Samstag-Nachmittag
wurde aufgrund der vorliegenden Berichte beschlossen, die Arbeiten für
den ersten Tag einzustellen und die entsprechenden Koordinierungsmaßnahmen
für Sonntag, den 12. November 2000 zu treffen. Am Samstag konnte ab 17.00
Uhr der überwiegende Teil der Einsatzkräfte wieder abgezogen werden,
da nur mehr Bergungs- und (leider) keine Rettungskräfte mehr notwendig
waren.
Arbeiten in der Nacht
In den Nachstunden wurden - zumeist direkt von den Bediensteten der Gletscherbahnen
AG - entsprechende Vorbereitungen für den nächsten Einsatztag getroffen.
Dieser sollte am Sonntag, um 08.00 Uhr beginnen. Organisatorische Maßnahmen
wie die Verständigung der entsprechenden Hilfskräfte (einige Feuerwehren,
Bergrettung, drei Hubschrauber des Bundesheeres,...) wurden ebenso wie technische
Vorbereitungen getroffen. Für die schwierige Bergung der Verunglückten
war es notwendig, einen entsprechenden Bergewagen zu konstruieren (siehe Bild).
Mit der zusätzlichen Verwendung einer Seilwinde war geplant, die Opfer
vom Zug bis zur Mittelstation zu bringen. Der manuelle Transport wäre
alleine aus der Sicht der körperlichen Überanstrengung (2.000 Stufen)
nicht durchführbar gewesen. Von der Mittelstation im Stollen aus wurden
die sterblichen Überreste dann bis ins Freie gebracht und von dort aus
per Hubschrauber zur Identifizierung nach Salzburg geflogen. Mit diesen Bergemaßnahmen
wurde am Montag, dem 13. November 2000, begonnen.
In der Nacht auf Sonntag werden umfangreiche Vorbereitungen getroffen.
Links macht sich die Bergrettung am Sonntag früh zum Flug bereit.
Rechts der in der Nacht gebaute Berge wagen, um die Opfer von der Unglücksstelle
bis zur Mittelstation zu bringen.
Zweiter Einsatztag, Sonntag
Um 08.00 Uhr wurde auf einer Wiese im Bereich der Talstation die Einsatzleitung,
der Atemschutzsammelplatz sowie die Versorgungsstelle aufgebaut. Letztere
wurde vom Österreichischen Bundesheer übernommen. Weiteres wurde
im Auftrag der Gerichtsmedizin ein Zelt errichtet. Darin war es anfangs geplant,
eine Erstidentifikation der Opfer durchzuführen.
In weiterer Folge wurden Kräfte der Feuerwehr, der Kripo, der Bergrettung,
des Roten Kreuzes und im Laufe des Nachmittags auf die Mittelstation geflogen,
um dort weitere Erkundungsmaßnahmen und Vorbereitungen zu treffen.
Nach wie vor war der Tunnel dermaßen verqualmt, dass ein Betreten ohne
schwere Atemschutzgeräte nicht denkbar gewesen wäre. Für die
Ermittlungen der Kripo sowie die weiteren Maßnahmen war dies jedoch
Grundbedingung. So drangen Atemschutztrupps in den Querstollen vor, um bis
zur Mittelstation die bereits am Samstag hinaufgeflogenen Hochleistungslüfter
zu platzieren bzw. in Betrieb zu nehmen. Damit wurde es möglich, den
Stollen bis in die Nachmittagsstunden so weit rauchfrei zu machen, damit dieser
zumindest mit nur mehr geringer Schutzausrüstung (Partikelfilter) betreten
werden konnte.
In der ersten Tageshälfte wurden mit Hilfe eines kleinen Kettenfahrzeuges
erste Geräte in den Tunnel transportiert, um die Arbeiten im weiteren
Verlauf beschleunigen zu können. Ebenso wurde ein Feldtelefon eingerichtet,
um zwischen der Mittelstation im Tunnel und der Versorgungsstation (Mittelstation)
eine Sprechverbindung herzustellen.
Ein mit Langzeitatmern ausgerüsteter Trupp bricht zur Untersuchung
der Unglücksstelle auf.
Diese Geräte haben eine Einsatzzeit bis zu vier Stunden.
Arbeit der Feuerwehr fast getan
Die Arbeiten der Feuerwehren waren am späten Nachmittag im Grunde getan.
Man entschied sich, ab Montag die schwierige Bergung der Opfer in Zusammenarbeit
mit der Kripo und dem Bundesheer durchzuführen. Diese traurige und aufgrund
der hohen Anzahl an Toten (darunter auch viele Kinder) psychisch extrem belastende
Aufgabe nahm in Folge mehrere Tage in Anspruch. Die Bergrettung übernahm
bei den Ermittlungsarbeiten die entsprechende Sicherung der Beamten. Aufgrund
der Steilheit der Unglücksstelle bzw. der Verformungen waren die Bergemaßnahmen
ein gefährliches Unterfangen, so dass die Personen mit Seilen gesichert
werden mussten. Lediglich eine kleinere, ortskundige Abordnung der Feuerwehr
blieb noch bis 16. November 2000 an der Einsatzstelle.
Die Bergung des Zuges selbst wird - letzten Mitteilungen zufolge - erst im
Jänner 2001 erfolgen. Dabei sollen die Reste der Garnitur angeblich samt
den restlichen Schienen aus dem Tunnel gebracht werden, um zwecks der Ursachenanalysen
möglichst exakte Untersuchungen durchführen zu können.
Die Arbeit der Presse
Neben dem tragischen Ereignis selbst, fand man leider noch weitere schockierende
Elemente, nämlich die Vorgehensweise vieler Pressevertreter. Speziell
die ausländischen Medien zeichneten sich teilweise durch eine höchst
pietätlose Arbeitsweise aus. Nicht nur, dass sie die Einsatzleitung bereits
zum Zeitpunkt der ersten Pressekonferenz mit den wildesten Thesen und Ursachen
konfrontierten, sondern auch, dass diese Vertreter regelrecht Jagd auf Bilder
der die Angehörigen machten. Speziell am Sonntag war dieser Umstand sehr
deutlich zu beobachten, als die Jugendherberge von Kaprun von Kameras regelrecht
belagert wurde. In diesem Gebäude waren die Angehörigen der Opfer
untergebracht bzw. wurden dort von geschulten Psychologen betreut. Mit sachlicher
und vor allem auch menschlicher Berichterstattung hatte dies eigentlich nicht
mehr wirklich zu tun...
Viele Angehörige reisten nach Kaprun, wo am Samstag Abend im Feuerwehrhaus
ein erster Gedenkgottesdienst abgehalten wurde. Dieser war auch der Presse
zugänglich.
Als positive Entscheidung war zu werten, dass beim - auch als Außenstehenden
sehr berührenden -Gedenkgottesdienst für die Angehörigen am
Sonntag keine Presse zulässig war. Dieser fand am in den späten
Nachmittagsstunden im Bereich der Talstation statt.
Wo in Fällen wie diesen die Pietät bleibt, sei auch in den Raum
gestellt. So wurden den Bergeeinheiten der Opfer seitens einer ausländischen
Medienanstalt nicht weniger als ATS 5 Millionen (mehr als 363.000 Euro) dafür
geboten, heimlich ein Bild des Grauens zu aufzunehmen... Ähnlich war
seinerzeit auch ein Fall beim Lawinenunglück in Galltür, dort waren
es aber umgerechnet "nur" ATS 700.000,- (knapp 51.000 Euro).
Umfangreiches Material musste per Hubschrauber zur Mittelstation transportiert
werden.
Im Bild rechts verlegen Feuerwehrleute ein Feldtelefon des Bundesheeres.
Ein Heer an Helfer
Leider konnte das Heer an Helfer nicht mehr wirklich in großem Umfang
helfen. Bereits um 11.00 Uhr, als rund 100 Minuten nach der ersten Alarmierung
standen mehrere Hundert Einsatzkräfte parat (ca. 400 Feuerwehr, 100 Rotes
Kreuz, 40 Gendarmerie, 13 Personen Österreichische Bergrettung, ca. 10
Personen des Bundesheeres).
Statistische Angaben
Zwischen 11. und 16. November 2000 waren in Summe 773 Feuerwehrkräfte
im Einsatz, 575 davon alleine am Samstag bzw. 110 am Sonntag. An den folgenden
Tagen waren es 'nur' mehr maximal 32. Die Summe der geleisteten Einsatzstunden
bilanzierte mit 5.416, davon 243 reine Atemschutzstunden. Zählt man die
Feuerwehreinsatzfahrzeuge aller Tage zusammen, so ergibt sich daraus eine
Anzahl von 118. Insgesamt standen 276 Atemschutzträger direkt im Einsatz
oder in Bereitschaft.
Einer der besonders nachdenklichen Momente: Hubschrauber bringen 7 Kisten
mit je 25 Leichensäcken...
Schwarzer Tag auch für Oberösterreich
Für die Angehörigen der 155 Opfer stellte diese Tragödie einen
der schwärzesten Tage in ihrem Leben dar. Ganz besonders traf es jedoch
das Bundesland Oberösterreich, 45 Landsleute fanden in der Schrägseilbahn
den Tod. Eine Gruppe an Magistratsbediensteten der Stadt Wels befand sich
an diesem 11. November bei einem Schiausflug am Kitzsteinhorn - 32 von ihnen
kehrten davon nicht zurück...
Nachdem der Tunnel soweit rauchfrei ist, dass dieser mit Partikelfilter
als Schutz betreten werden kann, beginnen die
Vorbereitungen für die Bergungsarbeiten. Rechts: Seltsam ist die Tatsache,
dass - ausgenommen am
Boden - keinerlei Rußspuren an den Wänden blieben.
Resümee
Der Autor verzichtet ganz bewusst, auf Unglücks-Ursachen und dergleichen
einzugehen. Zum einen waren diese zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Beitrages
noch nicht absolut geklärt, zum anderen war der Zweck dieses Beitrages,
einen kleinen Einblick auf die Leistungen der eingesetzten Hilfsmannschaften
der Feuerwehren zu bieten.
Auch wenn der Seilbahnbrand von Kaprun in einer menschlichen Tragödie
geendet hat, die Helfer wären in ausreichendem Umfang und vor allem rasch
zu Stelle gewesen, das Rettungssystem hätte funktioniert. Naturgemäß
taucht an dieser Stelle auch die Frage auf, was man hätte besser machen
können. Diese wird - vielleicht bis auf einige Details - wohl niemand
wirklich exakt beantworten können, denn den Rettungskräften fehlte
bei diesem Unglück ein sehr wesentlicher Faktor: Etwas Zeit! Zeit, die
sie nicht hatten, denn vermutlich waren alle Menschen bereits tot, als die
erste Feuerwehrsirene über Kaprun erschallte...
Absolute Sicherheit?
Es wäre - nach Meinung des Autors - jetzt falsch, sich den zahlreichen
Experten-Meinungen, welche noch am gleichen Abend in den verschiedensten Medien
hervorkamen, anzuschließen und zu behaupten, dass dies und jenes so
oder so hätte gemacht werden können. Im nachhinein ist man immer
klüger, das weiß jeder von uns. Bis in die frühen Morgenstunden
des 11. November 2000 hätte vermutlich auch niemand daran gedacht, dass
eine Standseilbahn jemals in Brand geraten würde. Noch dazu nach 25 Betriebsjahren
und über 18 Millionen transportierten Gästen. Man kann nach dieser
Katastrophe zumindest daraus lernen und somit dazu beitragen, ähnliche
Fälle in Zukunft zu vermeiden. Eines jedoch wird uns allen immer bewusst
sein müssen: 100%ige Sicherheit wird es NIE geben, nicht im Straßenverkehr,
nicht in der Luftfahrt und auch nicht im Tunnel.
Unvergessliche Momente in der Mittelstation der Tunnelröhre.
Rund 800 Meter talabwärts befand sich die Unglücksstelle.
DIE URSACHE DES UNGLÜCKS
(Medienmeldung - Oö. Kronen Zeitung - vom 6. September 2001)
Die österreichischen Justizbehörden gaben heute die
Ursachen der Gletscherbahn-Katastrophe von Kaprun bekannt. Der Bericht von
fünf Sachverständigen wurde in Linz der Presse und den Angehörigen
der 155 Opfer präsentiert. Zwei technische Geräte konnten bei den
Experten-Gutachten lokalisiert werden, die für den Brand verantwortlich
waren: Ein - für Fahrzeuge nicht zugelassener - Heizstrahler, der unterhalb
der Führerkabine eingebaut war plus ein Manometer (Bremsdruck-Messgerät)
mit undichten Bremsöl-Leitungen, Teil des gesamten Bremssystems der Bergbahn.
Das Manometer war direkt über dem Heizstrahler angebracht. Von diesem
Heizstrahler wurden fünf Stück bestellt, erst die Gerichte müssen
klären, wer für den grob fahrlässigen Einbau verantwortlich
zu machen ist.
Das Manometer, welches über dem Heizstrahler angebracht
war, ist für die Druck-Überwachung des gesamten Bremssystems zuständig.
(Dieses war mit dem Bremssystem in der Bergstation verbunden). Bremsleitungen
mit einem Öl-Fassungsvermögen von 120 Liter Bremsöl, das einen
Flamm-Punkt von 100 Grad Celsius hat, hingen an diesem Manometer. Die Öl-Leitungen
waren mit leicht entflammbarer Dellwolle umwickelt. Der Heizstrahler selbst
war aus Kunststoff , hatte eine Holz-Verkleidung und war zu besagtem Zeitpunkt
defekt: Öl war schon vor dem Unglückstag hinter dem Heizstrahler
durch die Ritzen des Strahlers durch gesickert und hatten die Dämmwolle
an den Leitungen, den Kunststoff-Mantel des Heizstrahlers samt Holz-Verkleidung
und sogar schon den Fußboden der Führerkabine, die auch aus Kunststoff
war, durchtränkt. Als die Bahn am 11. November des vergangenen Jahres
zum dritten Mal an diesem Tag in die Bergstation kam, stellte sich der Heizlüfter
in der Führerkabine automatisch aus. Ein Ventilator dieses Belüftungs-Gerätes,
der die Funktion erfüllen sollte, heiße Luft raus zu lassen, muss
blockiert gewesen sein. Dadurch kam es zu einer übermäßigen
Erhitzung des Gerätes. Aus der undichten Leitung des Manometers, durch
die schon seit einiger Zeit Bremsöl gesickert war, entzündete sich
das Öl bereits in der Talstation.
WAR ES BRANDSTIFTUNG?
(Medienmeldung - ORF-Online - vom 9. Juli 2003)
Zweieinhalb Jahre nach der Seilbahn-Katastrophe von Kaprun mit
155 Toten sucht die Salzburger Gendarmerie jetzt nach einem möglichen
Brandstifter, der in der Gletscherbahn Kaprun das Feuer gelegt haben könnte.
Hintergrund dieser Ermittlungen ist die Beobachtung, die ein Überlebender
des Seilbahn-Brandes laut eigener Aussage kurz vor der Bergfahrt der "Kitzsteingams"
gemacht hatte. Diese Aussage rückt nun immer mehr in den Mittelpunkt
des Verfahrens. Ein Skifahrer aus Bayern hatte geschildert, kurz vor der verhängnisvollen
letzten Fahrt der "Kitzsteingams" einen Unbekannten im talseitigen
Führerstand des Skizuges gesehen zu haben. Diese Person könnte ein
Feuer gelegt haben, lautet eine Theorie.
Gutachter: "Auch Brandstiftung kommt in Frage". Richter Manfred
Seiss hat daher jetzt die Gendarmerie mit Ermittlungen gegen unbekannte Täter
beauftragt. Kaprun-Gutachter Helmut Prader beschäftigt sich mit mehreren
Brandursachen: Helmut Prader Gerichts-Gutachter beim Kaprun-Prozess "In
Frage kommt zunächst einmal der Heizköper, dann mechanische und
elektrische Energie, weiters ein Papierkorb, in den möglicherweise eine
brennende Zigarette gefallen sein könnte, und schließlich eben
auch Brandstiftung."
Kriminalist: "Zeitfaktor erschwert Ermittlungen": Die Kriminalisten
stehen damit in ihren Ermittlungen praktisch wieder am Beginn. Es müssen
wieder Zeugen befragt, Akten studiert und Fotos analysiert werden. Die Chancen,
einen Brandstifter nach mehr als zweieinhalb Jahren auszuforschen, seien nicht
sehr groß, räumt der Leiter der Kriminalabeilung bei der Salzburger
Gendarmerie, Karl-Heinz Wochermayr, ein: "Möglich ist hier zwar
alles, aber der Zeit-Faktor erschwert die Ermittlungen natürlich enorm.
Falls sich die Wahrnehmung des betreffenden überlebenden Zeugen tatsächlich
so abgespielt hat wie von diesem geschildert, dann ist ja auch nicht auszuschließen
dass der Brandstifter selbst unter den Opfern des Unglücks ist."
Kriminaltechniker: "Phantombild wäre möglich" In den ersten
Tagen nach dem Unglück sind zahlreiche Briefe zur Brandursache von anonymen
Verfassern, aber auch mit Absendern, beim Landesgericht sowie bei der Salzburger
Sicherheitsdirektion und der Gendarmerie eingelangt. Auch diese Schreiben
erhalten jetzt wieder Bedeutung. Einer der ersten Schritte bei der Suche nach
dem unbekannten Brandstifter ist jetzt das Phantombild, sagt Reinhold Nimmrichter,
der leitende Kriminaltechniker beim Kaprun-Unglück: "Aufgrund der
Personenbeschreibung könnte ich mir vorstellen, dass unter Umständen
ein Phantombild gezeichnet werden könnte, sofern die Aussagen des Zeugen
wirklich derart gut sind."
Ende August will Gutachter Helmut Prader seine Expertise zur Brandursache
bei Gericht vorlegen. Erst dann steht fest, ob Brandstiftung weiter ein Thema
im Gerichtsverfahren bleiben wird.
(Medienmeldung - ORF-Online - vom 26. Mai 2003)
Der Brand in der Gletscherbahn von Kaprun könnte gelegt
worden sein. Zweieinhalb Jahre nach der Brandkatastrophe mit 155 Toten untersuchen
Gutacher auf Grund der Aussage eines Überlebenden die Möglichkeit
von Brandstiftung. Thomas Kraus aus Bayern hat am letzten Verhandlungstag
im April zu Protokoll gegeben, dass er beobachtet habe, wie ein Unbekannter
im talseitigen Führerstand der später ausgebrannten Kitzsteingams
Platz genommen habe. In diesem Bereich ist erwiesenermaßen der verheerende
Brand ausgebrochen. Der Unbekannte hätte dabei ausreichend Zeit gehabt,
ein Feuer zu legen oder einen Brandsatz anzubringen, so die Theorie von Helmut
Prader, dem neuen Hauptgutachter im Kaprun-Prozess: "Im Rahmen der Brandursachen-Ermittlung
sind alle denkmöglichen Ursachen und damit auch die Möglichkeit
von Brandstiftung zu beurteilen und zu bewerten."
Drei Tage lang haben die Sachverständigen im Kaprun-Prozess letzte Woche
bei den Unglückszügen in Salzburg Versuche durchgeführt und
dabei auch über Brandstiftung als Ursache diskutiert: "Im konkreten
Fall hat es bisher noch keine eindeutigen Hinweise auf Brandstiftung gegeben.
Aber die Aussage des Zeugen Kraus ist natürlich in die Überlegungen
miteinzubeziehen und zu werten. Es muss auf Grund dieser Aussage genauer untersucht
werden, ob Brandstiftung denkbar und möglich ist."
Sollte tatsächlich Brandstiftung nachgewiesen werden, dürften die
16 Beschuldigten massiv entlastet werden. Der Salzburger Gerichtspräsident
Walter Grafinger bestätigt, das auch Brandstiftung als mögliche
Unglücksursache ernst genommen werden muss: "Diese Aussage ist jetzt
Bestandteil des Aktes, und es ist selbstverständlich, dass der Sachverständige
diese Aussage auch in seine Begutachtung einbeziehen muss, denn sonst wäre
die Begutachtung ja unvollständig und würde das Aktenmaterial nicht
vollständig erfassen", so Grafinger.
EIN LANGER PROZESS
(Medienmeldung - ORF-Online - vom 19. Februar 2004)
Es war ein Prozess mit vielen Pannen und Verzögerungen.
Es war auch ein Prozess der Emotionen auf der einen und der technischen Spitzfindigkeiten
auf der anderen Seite. Mit mehr als einem Jahr Verspätung endet am Donnerstag
der Kaprun-Prozess. Einzelrichter Manfred Seiss steht in Salzburg vor der
Aufgabe, über Schuld oder Unschuld der 16 Angeklagten am schwersten Seilbahnunglück
in der Geschichte der Zweiten Republik zu entscheiden. Der Ausgang des Verfahrens
gilt als völlig offen.
Es ist ein sonniger Wintermorgen am 11. November 2000. Mit einem Snowboard-Event
sollte die Saison im Gletscherskigebiet am Kitzsteinhorn eröffnet werden,
als ein Heizlüfter im Führerhaus der Stollenbahn wegen eines technischen
Defekts heiß läuft.Dabei entzündet sich Hydrauliköl,
der Brand breitet sich blitzschnell in der voll besetzten Bahn aus. 155 Menschen,
unter ihnen zahlreiche ausländische Touristen, sterben: Nur zwölf
können sich mit letzter Not durch ein eingeschlagenes Fenster aus dem
qualmenden Tunnel ins Freie retten.
Als am 18. Juni 2002 der Prozess begann, mussten drei führende Mitarbeiter
der Kapruner Gletscherbahnen, drei Beamte des für Seilbahnen zuständigen
Verkehrsministeriums, Vertreter der Prüfstellen sowie technische Angestellte
der Liefer- und Konstruktionsfirmen auf der Anklagebank Platz nehmen. Die
Anklage lautet auf "fahrlässige Herbeiführung einer Feuersbrunst"
beziehungsweise "fahrlässige Gemeingefährdung" mit einem
Strafrahmen von bis zu fünf Jahren Haft. Alle 16 bekennen sich bis zum
Ende des Verfahrens nicht schuldig, die Verteidiger fordern ihren Freispruch.
Staatsanwältin Eva Danninger-Soriat hingegen sieht die Schuld bei 15
Angeklagten als erwiesen an. Der Heizlüfter hätte nie eingebaut
werden, die Hydrauliköl-Leitungen hätten nicht hinter der Heizung
verlaufen dürfen und die Bahn aus nicht brennbarem Material hergestellt
sein müssen. Zudem seien die Brandschutzvorkehrungen unzureichend gewesen.
Während des Prozesses fielen in der Berichterstattung immer wieder Worte
wie "Eklat", "Skandal" und "Schlamperei". So
fanden sich im Keller des Privathauses des Hauptsachverständigen wichtige
Beweismittel. Kriminalbeamte wiederum erschienen, als Zeugen geladen, zum
Lokaltermin mit einem Kofferraum voll Fotos, Videos und anderen Dokumenten,
die das Gericht davor nicht kannte. Personalmangel im Salzburger Gericht verzögerte
den Prozessverlauf weiter.
Die Hinterbliebenen der 155 Opfer erwarten das Urteil mit doppeltem Interesse:
Sie wollen nicht nur die Schuldigen am Tod ihrer Verwandten gefunden wissen.
An etwaige Schuldsprüche schließen sich auch ihre Schadenersatzansprüche
in Höhe von insgesamt 9,5 Millionen Euro.
Zur Urteilsverkündung am 19. Februar 2004 wird mit großem Andrang
sowohl von Medienvertretern als auch von Opferangehörigen gerechnet.
Das Landesgericht rechnet mit emotionalen Reaktionen der Hinterbliebenen der
Opfer. Dutzende TV-Teams und Reporter aus aller Welt ließen sich im
Vorfeld akkreditieren.
FREISPRUCH
Im Kaprun-Prozess sind am Donnerstag im Salzburger Kolpinghaus alle 16 Beschuldigten
von Einzelrichter Manfred Seiss freigesprochen worden. Den Männern war
seitens der Staatsanwaltschaft vorgeworfen worden, für die Brandkatastrophe
am Kitzsteinhorn vom 11. November 2000 mitverantwortlich zu sein. Mit seinen
Urteilen war Seiss am 63. Verhandlungstag nicht dem Strafantrag der Staatsanwaltschaft
gefolgt. Staatsanwältin Eva Danninger-Soriat hatte in ihrem Schlussvortrag
am 20. Jänner 15 Schuldsprüche gefordert. Lediglich bei einem Mitarbeiter
der Gletscherbahnen Kaprun AG, der mit der Evaluierung von Arbeitsplätzen
betraut war, bat die Staatsanwältin, das Gericht möge die Ergebnisse
des Beweisverfahrens entsprechend berücksichtigen. Alle Verteidiger hatten
für Freisprüche ihrer Mandanten plädiert.
Obwohl der Richter vor Verlesung des Urteiles die zahlreich erschienen Zuhörer
um Ruhe gebeten und ersucht hatte, von Missfallens- und Beifallsäußerungen
oder anderen Kundgebungen Abstand zu nehmen, kam es zu lautstarken Protesten.
"Das will ich mir nicht anhören", rief ein Angehöriger,
der gemeinsam mit rund 20 anderen den Saal verließ. "Eine Schande
für die Republik", rief ein anderer. Vor dem Verhandlungssaal brach
eine Japanerin zusammen, sie war aber wenige Minuten später bereits wieder
auf den Beinen.
"Nur Menschen, aber nicht Firmen können schuldig sein", zeigte
Seiss Verständnis für die Reaktionen. Er habe ausschließlich
die Regeln des Strafrechts angewandt. Bei vielen werde das auf Unverständnis
stoßen, so Seiss. "Die Freisprüche sind nicht als Niederlage
der Staatsanwältin zu sehen." Aber das Beweisverfahren habe eine
vollständige Entlastung der Beschuldigten ergeben. Der Richter betonte
nochmals, dass im Verfahren alle Anträge berücksichtigt worden seien.
Von ihrem Recht, Schlussworte zu sprechen, hatten lediglich die Beschuldigten
der Gletscherbahnen Kaprun (GBK) Gebrauch gemacht. Diese drei erklärten
unisono, dass es ihnen unendlich Leid tue, dass dieses unfassbare Unglück
passiert sei, das auch ihr Leben verändert habe. Der Betriebsleiter der
GBK fügte noch hinzu, dass er weiterhin den Angehörigen der Opfer
zur Trauerarbeit zur Verfügung stehen werde. Mit den Tunnelbegehungen
sei bereits das Erste geschehen.
Man habe viele Antworten bekommen, aber Fragen seien noch offen geblieben,
zum Beispiel, warum eine Verkettung von unglücklichen Umständen
zu diesem furchtbaren Unglück geführt hatte. Die Katastrophe hinterlasse
tiefe Wunden. "Wir haben die Katastrophe nicht verschuldet und konnten
sie auch nicht voraussehen." Ansonsten schlossen sich alle drei GBK-Beschuldigten
den Worten ihrer Verteidiger an, die restlichen 13 Beschuldigten verzichteten
überhaupt auf eine Stellungnahme. Nach der Urteilsverkündung begann
Seiss mit der Begründung der Urteile, die mehrere Stunden dauern dürfte.
Als am 18. Juni 2002 der Prozess begann, mussten drei führende Mitarbeiter
der Kapruner Gletscherbahnen, drei Beamte des für Seilbahnen zuständigen
Verkehrsministeriums, Vertreter der Prüfstellen sowie technische Angestellte
der Liefer- und Konstruktionsfirmen auf der Anklagebank Platz nehmen. Die
Anklage lautete auf "fahrlässige Herbeiführung einer Feuersbrunst"
beziehungsweise "fahrlässige Gemeingefährdung" mit einem
Strafrahmen von bis zu fünf Jahren Haft. Die Staatsanwältin hingegen
hatte die Schuld bei 15 Angeklagten als erwiesen angesehen. Der Heizlüfter
hätte nie eingebaut werden, die Hydrauliköl-Leitungen hätten
nicht hinter der Heizung verlaufen dürfen und die Bahn aus nicht brennbarem
Material hergestellt sein müssen. Zudem seien die Brandschutzvorkehrungen
unzureichend gewesen.
Während des Prozesses fielen in der Berichterstattung immer wieder Worte
wie "Eklat", "Skandal" und "Schlamperei". So
fanden sich im Keller des Privathauses des Hauptsachverständigen wichtige
Beweismittel. Kriminalbeamte wiederum erschienen, als Zeugen geladen, zum
Lokaltermin mit einem Kofferraum voll Fotos, Videos und anderen Dokumenten,
die das Gericht davor nicht kannte. Personalmangel im Salzburger Gericht verzögerte
den Prozessverlauf weiter.