Feuerwehr 2050: Ein (fiktives) Interview mit einem Bezirksfeuerwehrkommandant
Geschrieben am: 2014-11-01 18:39:42 Wir schreiben das Jahr 2050, seit Beginn des Jahrhunderts ist die Zahl der Freiwilligen Feuerwehren um rund die Hälfte geschrumpft. Feuerwehrkamerad Martin Pils hat sich Gedanken gemacht und "führte" ein fiktives Interview mit einem hauptamtlichen Bezirks-Feuerwehr-Kommandanten. Herr Bezirkskommandant, danke dass Sie sich die Zeit nehmen und uns ein paar Fragen beantworten. In den vergangenen Jahren gab es ja erhebliche strukturelle Änderungen im Rahmen der Feuerwehr, viele Freiwillige Feuerwehren sind nicht mehr und statt vereinzelter Feuerwehrhäuser haben sich die Einsatz- und Dienstleistungszentren etabliert. Wie kam es zu diesen, doch radikalen, Änderungen im Feuerwehrwesen? Nach der damaligen Wirtschaftskrise und immer weiter steigenden Staatschulden bei gleichzeitigem Stillstand des Wirtschaftswachstums musste in allen öffentlichen Bereichen zu sparen begonnen werden, auch bei den Feuerwehren. Ein weiterer entscheidender Grund ist im Rückgang der Freiwilligenzahlen bei gleichzeitig zunehmender „Vollkaskomentalität“ zu sehen. Es war in vielen, vor allem kleineren, Orten und Gebieten nicht mehr möglich die Löschfahrzeuge mit 1:8 zu besetzen. Schon gar nicht zu Bürozeiten. Also hat man begonnen die Rentabilität des Feuerwehrwesens ernsthaft zu hinterfragen. ...aber das hat man doch vorher auch? Ja. Natürlich hat man zu jeder Zeit und immer wieder über Kosten/Nutzen der Feuerwehren gesprochen. Allerdings bekam diese Diskussion mit dem Markteintritt der ersten privaten Feuerwehrdienstleister eine völlig neue Qualität. Denn mit einem Mal gab es eine Alternative zur öffentlich-freiwilligen Feuerwehr und sowohl Industrie als auch Gemeinden hatten die Möglichkeit zu vergleichen. Plötzlich waren die Feuerwehren nicht mehr Monopolist. Monopolist? Bis zum Startschuss der ersten privaten Feuerwehr welche den Brandschutz bei Veranstaltungen und in Industriebetrieben sichergestellt hat und später auch als Dienstleister für die ersten Gemeinden aufgetreten ist, waren die Feuerwehren sozusagen „unantastbar“. Es gab schlicht keine Alternative und so wurde auch selten und wenig kritisch das Wirken und die Qualität hinterfragt. Dies war womöglich auch ein Grund warum eine Entwicklung verschlafen wurde die Jahre danach zu eben diesen erheblichen Änderungen geführt hat, den Status der „heiligen Kuh“ abzulegen, dauerte seine Zeit. Welche Entwicklung sprechen sie hier an? Damals, in den 2010er Jahren, hatte sich das Feuerwehrwesen ohnehin schon über Jahre als Dienstleister für die Bevölkerung und Kommunen etabliert. Natürlich wurden die technischen Einsätze und Hilfeleistungen im Vergleich zu den Brandeinsätzen immer mehr. Die Feuerwehren waren von Jahr zu Jahr besser ausgerüstet und für immer mehr Einsatzzwecke einzusetzen. Dort, wo das Gewerbe nicht vorhanden oder nicht Willens war, Aufgaben zu übernehmen, ist die Feuerwehr eingesprungen wie zum Beispiel bei Türöffnungen, Fahrzeugbergungen, Kanalspülungen und dgl. Aber um einem tatsächlichen Dienstleistungsbetrieb dauerhaft zu entsprechen, wären flankierende Maßnahmen wie zum Beispiel die Etablierung von Qualitätsmanagementstrukturen oder die Verschlankung und Zusammenlegung der Verwaltungsstrukturen notwendig gewesen. Durch das Fehlen dieser flankierenden Strukturen, wie ein übergreifendes Ressourcenmanagement, kam es in Teilbereichen zur Doppel- und Dreifachausstattung, wo man sich dann die Frage nach der Notwendigkeit gefallen lassen musste. Qualitäts- und Ressourcenmanagement gab es damals nicht? Sicher. Aber eben nicht in jeder Feuerwehr und oft nur punktuell statt regional oder überregional. Zwar war durchaus akzeptiert dass die Qualität und Effizienz stets gesteigert werden sollte, konkret war dies aber oft ein Stiefkind. Wie kam es zur Tagesbereitschaft durch externe Dienstleister? Nachdem immer mehr Feuerwehren im eher dünn besiedelten Gebiet tagsüber, aufgrund Personalnotstands, nicht mehr Ausrücken konnten; Gründe dafür waren unter anderem das Auspendeln zur Arbeit, die Abwanderung der Jungen und der Rückgang der Freiwilligkeit. Außerdem waren immer weniger Arbeitgeber bereit Ihre Mitarbeiter jederzeit für Einsätze freizustellen. Also begann man in den betroffenen Gemeinden zu überlegen wie diese Ausfälle zu kompensieren wären. Die Kommunalen Dienste mit den Aufgaben der Feuerwehr zu betrauen war nur in eingeschränktem Umfang möglich und die Einrichtung einer Berufsfeuerwehr, vor allem aufgrund der hohen Personalkosten, schlichtweg nicht leistbar. Hier kamen dann private Anbieter ins Spiel, welche den Kommunen die Übernahme der Feuerwehrbereitschaft zusichern konnten. Diese ausgebildeten Feuerwehrmänner und –frauen erledigen am Stützpunkt diverse Aufgaben und gingen einem täglichen Gewerke nach, standen jedoch für Einsätze sofort zur Verfügung. Durch die Anwesenheit am Stützpunkt konnte die Ausrückzeit im Vergleich zu normalen Freiwilligen Feuerwehren zudem noch gesenkt werden und daher auch ein größeres Gebiet versorgt werden. Also schlossen sich teilweise kleinere Gemeinden zusammen und engagierten einen derartigen Feuerwehrdienstleister. Daraus entstand dann das Einsatz- und Dienstleistungszentrum wie wir es heute kennen? Das waren zumindest die ersten Schritte in diese Richtung. Die Stützpunkte wurden so eingerichtet dass neben dem Kerngeschäft der Feuerwehr auch anderen Diensten und Arbeiten nachgegangen werden konnte. Es wurden beispielsweise Telearbeitsplätze eingerichtet wo IT-Dienstleistungen erbracht wurden, der Mitarbeiter aber trotzdem innerhalb weniger Sekunden im Einsatzwagen Platz nehmen konnte. Neben den Kernaufgaben wurden auch Hausmeisterdienste, Verkehrsregelungen und anderes dieser Art angeboten und ermöglichte eine Querfinanzierung dieser Unternehmen. Heute geht es soweit, dass in den Einsatzzentren sogar Lehrlinge ausgebildet werden. Hat das heutige System die Freiwilligen Feuerwehren verdrängt? So würde ich das nicht sagen. Das heutige Misch-System bewährte sich zuerst tagsüber und wurde nach Büroschluss wieder von den Freiwilligen „abgelöst“. Die steigende Technisierung, beispielsweise durch den Einsatz von Drohnen, Robotern aber vor allem durch das Exoskelett ermöglichte weitere Personaleinsparungen und Steigerung der Effizienz. Dies war aber durch die sozialen Begleitumstände ohnehin notwendig, um den immer weiter steigenden Anforderungen an die Feuerwehr und die Professionalität Ihrer Dienstleistung, gerecht zu werden. Zwar gibt es heute im Vergleich zum Beginn des Jahrtausends zahlenmäßig nur noch etwa die Hälfte der Freiwilligen Feuerwehren. Viele der heute nicht mehr eigenständigen sind aber als Lösch- oder Katastrophenzug erhalten geblieben. So kam es dann zu den Feuerwehr Traditions Korps? Die Freiwilligen Feuerwehren haben ja erheblichen Anteil am gesellschaftlichen Leben und übernehmen wichtige gesellschaftspolitische Aufgaben. Auch bei kulturellen Veranstaltungen waren und sind die Feuerwehren immer ein wichtiger Faktor. Diesen Teil der Feuerwehrdienste hat sich die Bevölkerung in Form von Traditions Korps erhalten. Diese Traditionsverbände stellen auch heute noch den Maibaum auf, halten Sonnwendfeuer ab und laden im Winter zum Ball. Derzeit wird immer öfter die Eingliederung des Rettungsdienstes diskutiert? In vielen Einsatzzentren sind Feuerwehr und Rettung ohnehin schon unter einem Dach. In so manchem Bereich ist sogar das Personal ident. Ich halte den Zeitpunkt für die Diskussion gekommen und bin der Meinung dass auch hier sinnvoll modernisiert werden kann. Besten Dank für das Interview! Gedanken von Martin Pils, Oberbrandmeister, für Fireworld.at Weiterer Artikel des Autors: Daecher reinigen -> Wasser halt, Quo vadis?! |