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35 Jahre nach Tschernobyl – und die Geschichte ist nicht zu Ende!

Am 26. April 1986 um 1:23:44 kam es im sowjetischen Atomkraftwerk Tschernobyl zur bisher größten Atomkatastrophe in der Geschichte. Durch eine Reihe von teilweise kriminellen Aktivitäten geriet Reaktor 4 völlig außer Kontrolle. Eine unkontrollierbare Kettenreaktion setzte ein, zerstörte den Reaktor und setzte Unmengen von Radioaktivität in die Umwelt frei und die Geschichte ist auch heute nicht zu Ende!

Was war passiert?

„In einem Test versuchte man herauszufinden, wie lange die Turbine noch Strom liefert, wenn man den Reaktor abschaltet. Dazu wurde er auf Höchstleistung hochgefahren und dann abgeschaltet. Weil die Sicherheitssysteme das aber nicht zuließen, wurde sie einfach ausgeschaltet und das war der Grund, warum es zu dieser Katastrophe überhaupt kommen konnte“, erinnert sich Manfred Doppler vom Anti Atom Komitee. Es war bekannt, dass es bei diesen graphitmoderierten Siedewasser-Druckröhren-Reaktoren (RBMK-1000) zu einem kurzfristigen Anstieg der Leistung kommt. Durch das Abschalten der Sicherheitssysteme kam es aber zu einem Anstieg auf ein Vielfaches seiner Leistung und durch diesen Hitzestau begann der Grafit zu brennen und der Reaktor explodierte.

Der Supergau von Tschernobyl setzte in den ersten zehn Tagen 200mal so viel Radioaktivität frei, wie die Atombomben von Hiroshima und Nagasaki zusammen, darunter Jod 131, das die Schilddrüse schädigt und das langlebige Cäsium 137, mit einer Halbwertszeit von über 30 Jahren. „Hunderttausende Liquidatoren wurden bei der Brandlöschung und der Beseitigung des hochradioaktiven Mülls eingesetzt und niemand weiß heute, was aus vielen dieser Menschen geworden ist. Niemand weiß heute, wie viele Opfer Tschernobyl gefordert hat und noch fordern wird“ betont Manfred Doppler, weil viele Strahlenschäden erst Jahrzehnte später oder erst in den nächsten Generationen sichtbar werden. Die Schätzungen schwanken zwischen 10.000 und 250.000 Betroffenen.

Die radioaktive Wolke verbreitete sich in der Folge über ganz Europa und speziell in Gegenden, in denen es in den Tagen nach dem Supergau geregnet hat, war die Belastung besonders hoch. Darunter auch weite Teile Österreichs. „Auch nach 35 Jahren ist noch immer fast die Hälfte des Cäsium 137 in unseren Böden und belastet die Umwelt. Besonders Wildtiere und Pilze sind davon betroffen. Aber offensichtlich denkt heute fast niemand mehr daran, weil man es nicht sehen oder riechen kann, aber es ist da“, so Manfred Doppler weiter.

„Der Anteil der Atomenergie liegt heute bei marginalen 2% der Weltenergieverbrauches und kann daher auch keinen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Aber diese Technologie hat bei zwei Super-GAUs, vielen Fast-Katastrophen Hundertausende Opfer gefordert, mit dem Atommüll eine Erblast für Hunderttausende Jahre geschaffen und die Geschichte ist nicht zu Ende! Für zwei Prozent der Energie! Ist es das wert?“ so Manfred Doppler abschließend.

Anti Atom Komitee, April 2021

35 Jahre Atomreaktorkatastrophe in Tschernobyl

Atomkraftwerke sind teuer, brauchen enorm lange für die Errichtung und ihr Anteil an der Stromerzeugung ist seit Jahren im Sinkflug, berichtet der World Nuclear Industry Status Report 2020. „35 Jahre nach dem Super-GAU in Tschernobyl wird eines deutlich: Atomkraftwerke sind eine Technologie der Vergangenheit“, bemerkt Stefan Moidl, Geschäftsführer der IG Windkraft: „Die Erneuerbaren haben heute bereits eine hohe Bedeutung und in Zukunft wird die vollständige Versorgung durch Erneuerbare Energie Atom- und Fossil-Energie ersetzen. Ich hoffe auf eine beherzte Politik in Österreich, die nun rasch mit dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz die nötigen Rahmenbedingungen im Parlament beschließt.“

Am 26. April 1986 explodierte das Atomkraftwerk in Tschernobyl. Spätestens seit diesem Datum ist klar, wie groß die Gefahren sind, die von Atomkraftwerken ausgehen. 35 Jahre später wird allerdings noch immer versucht, die Atomkraft als sinnvolle Technologie zur Stromerzeugung darzustellen. Selbst für den Kampf gegen den Klimawandel werden Atomkraftwerke von den Verfechtern der Atomenergie als Heilsbringer dargestellt. Ein Blick auf die Fakten zeigt aber deutlich, dass sich die Nutzung der Atomkraft im Bereich des Klimaschutzes als Lösung nicht eignet.

Atomstromanteil seit Jahren im Sinkflug

1996 war der Höhepunkt der Atomstromproduktion. Damals konnten die Atomkraftwerke 17,5 Prozent des Stromverbrauches erzeugen. 2019 ist der Anteil von 40 Prozent auf 10,4 Prozent des Verbrauches geschrumpft. Im selben Jahr übertraf die Stromproduktion aus erneuerbaren Energien (ohne Wasserkraft) die Atomstromproduktion bereits. „Auch daran sieht man, dass die Zukunft der Stromerzeugung den Erneuerbaren gehört und dass die Atomkraft eine veraltete Technologie ist“, bemerkt Moidl.

Atomkraftwerke überaltert

Das Durchschnittsalter aller Atomkraftwerke liegt laut dem World Nuclear Industry Status Report 2020 bei 30,7 Jahren. 1990 lag dieser Wert noch bei 11,3 Jahren. In Frankreich liegt das Durchschnittsalter bereits bei über 35 Jahren und in den USA sogar bei über 40 Jahren. Damit erreichen viele Atomkraftwerke langsam aber sicher ihr Produktionsende. Alle Atomkraftwerke die in den letzten fünf Jahren abgeschaltet wurden, waren durchschnittlich 42,4 Jahre in Betrieb. In den USA waren nur sechs Atomkraftwerke bei der Stilllegung 40 Jahre alt und wurden aus ökonomischen Gründen abgeschaltet, obwohl die Betriebsgenehmigung noch 20 Jahre gültig gewesen wäre.

Atomkraftwerke – extrem lange Bauzeit

Die durchschnittliche Bauzeit eines Atomkraftwerkes liegt derzeit bei über sieben Jahren und kann deutlich höher liegen. Der Trend der letzten Jahre: steigend. So wurde bereits 2005 mit dem Bau des finnischen Atomkraftwerkes in Olkiluoto begonnen, die Stromproduktion sollte 2009 starten, aber 16 Jahre später ist es immer noch nicht fertiggestellt. Nächster geplanter Fertigstellungstermin ist 2022. Ein ähnliches Schicksal hat das französische Atomkraftwerk in Flamanville. „Diese Beispiele zeigen sehr deutlich, dass die Atomkraft ein rasches Ende von Erdöl, Kohle und Erdgas nicht ermöglichen kann“, bemerkt Moidl: „Da im Strom in Österreich immer noch Atomstrom aus dem Ausland enthalten ist, braucht es eine aktive Politik in Österreich. Klar ist, dass wir fossile und atomare Energien hinter uns lassen müssen. Dies kann durch den raschen Ausbau der erneuerbaren Energien gelingen. Dafür braucht die Branche passende Rahmenbedingungen und eine mutige Politik“, so Moidl und hofft, dass die österreichischen Politiker*innen die Zeichen der Zeit erkennen und endlich mit dem Beschluss des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes den Weg frei machen für eine offensive Energiewende in Österreich.

IG Windkraft Österreich, April 2021

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