
Türkei: Der Wind drehte → 10 Forstarbeiter und Rettungskräfte bei Waldbrand bei Eskisehir getötet
ESKISEHIR (TÜRKEI): Die Sonne stand hoch über den bewaldeten Hügeln der Region Seyitgazi, die Luft flimmerte vor Hitze. Seit Tagen schon hatten sich hier Feuerwehrleute, Forstarbeiter und freiwillige Helfer durch das unwegsame Gelände gekämpft, um einen sich ausbreitenden Waldbrand unter Kontrolle zu bringen. Es war heiß, trocken, windig – ein gefährlicher Dreiklang, der die Gefahr im Hintergrund stets gegenwärtig hielt.
Doch an diesem Nachmittag des 22. Juli 2025 geschah das, was niemand hatte vorhersehen können – zumindest nicht in dieser Geschwindigkeit: Der Wind drehte. Der Flammenkorridor, der bis dahin als berechenbar galt, veränderte seine Richtung in Sekundenschnelle. Die zuvor als sicher geltenden Rückzugswege waren plötzlich von dichtem Rauch und Feuer versperrt. Inmitten des steilen, teils felsigen Geländes hatten 24 Einsatzkräfte kaum eine Chance, der Feuerwalze zu entkommen.
Als das Feuer sich schließlich zurückzog und erste Rettungstrupps die Einsatzstelle wieder erreichten, offenbarte sich das ganze Ausmaß der Tragödie: Zehn Menschen hatten ihr Leben verloren. Fünf von ihnen waren Forstarbeiter des Landwirtschaftsministeriums, die anderen fünf gehörten zur renommierten türkischen Rettungsorganisation AKUT. Weitere 14 Helfer wurden verletzt, einige davon schwer, und in umliegende Krankenhäuser gebracht. „Sie kämpften, um unsere Wälder zu retten“ Die Nachricht vom Unglück verbreitete sich rasch im ganzen Land. Noch am Abend meldete sich der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan zu Wort. Er würdigte die Toten als Helden: „Sie kämpften, um unsere Wälder zu retten – und bezahlten mit ihrem Leben.“
Gleichzeitig kündigte die Regierung eine offizielle Untersuchung an. Zwei Staatsanwälte wurden beauftragt, den Hergang detailliert aufzuarbeiten. Auch das Forstministerium und die nationale Katastrophenschutzbehörde begannen mit internen Analysen. Es geht dabei nicht nur um die Schuldfrage – sondern auch darum, künftige Einsätze besser gegen plötzliche Wetterumschwünge abzusichern.
Die tödliche Rolle des Windes
Waldbrände sind nichts Neues in der Türkei. Allein im Jahr 2021 brannten mehr als 140.000 Hektar ab. Doch was diesen Einsatz in Eskişehir so verhängnisvoll machte, war die Unberechenbarkeit des Wetters. Die Kombination aus Hitze über 40 °C, ausgetrockneten Böden und plötzlich auffrischendem Wind hat sich in der Vergangenheit mehrfach als tödliche Falle erwiesen – nicht nur in der Türkei. Feuerexperten sprechen in solchen Fällen von einer „windgetriebenen Umklammerung“ – eine Art Feuerspirale, bei der die Front so schnell die Richtung ändert, dass Fluchtwege innerhalb von Sekunden von Flammen oder Rauch unpassierbar werden. Für Einsatzkräfte, die oft tief im Gelände arbeiten, kann das fatal sein.
Wer waren die Helfer? Die zehn Getöteten kamen aus zwei unterschiedlichen Bereichen – aber sie verband der gleiche Auftrag: Leben schützen.
Die fünf Forstarbeiter waren staatlich angestellte Brandschutzkräfte. Sie kannten das Gelände, waren mit den Bedingungen vertraut, arbeiteten routiniert mit Feuerpatschen, Löschrucksäcken und Handwerkzeugen. Die fünf AKUT-Helfer waren Teil der wohl bekanntesten ehrenamtlichen Such- und Rettungseinheit der Türkei. Sie werden regelmäßig bei Naturkatastrophen eingesetzt – vom Erdbeben bis zum Waldbrand. Beide Gruppen hatten sich an jenem Tag gemeinsam in einem schwer zugänglichen Abschnitt des Brandgebiets positioniert. Als der Wind drehte, hatten sie kaum eine Chance.
Die zehn Helfer von Eskişehir sind inzwischen in ihren Heimatorten beigesetzt worden. Überall im Land hissten Feuerwehren und Rettungsstationen ihre Fahnen auf Halbmast. Die Bilder der verbrannten Ausrüstung, der verkohlten Einsatzkleidung und der stillen Ehrengedenken erinnern daran, was jede Einsatzkraft weiß, aber selten ausspricht: „Es kann jederzeit ernst werden.“
