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Absturzsicherung im Feuerwehreinsatz → Oberösterreich schafft eigenes Set (Fachartikel)

Absturzsicherung ist inzwischen fixer Bestandteil bei der Ausbildung der Feuerwehren. Wie wichtig diese ist, haben die Schneedruck- und Hageleinsätze an den Tag gelegt. Jedoch in kleinerem Rahmen sollte diese Thematik eine uneingeschränkte Beachtung erfahren. Der Oö. Landes-Feuerwehrverband hat nach dem theoretischen Ausbildungsunterlagen nun auch den technischen Teil im Zuge eines eigenen Ausrüstungssets ausgearbeitet.

Dieser Beitrag wurde im Juni 2022 im Feuerwehr-Fachmagazin BRENNPUNKT publiziert und zur Verfügung gestellt. Mehr zum Feuerwehrmagazin BRENNPUNKT finden Sie unter http://magazin.ooelfv.at

TEXT: MICHAEL BUCHBAUER, OÖ. LANDES-FEUERWEHRSCHULE
FOTOS: MICHAEL BUCHBAUER UND HABERKORN

In der Isolierung einer Dachkonstruktion kommt es zu einem Brand. Als örtliche Feuerwehr will man rasch und effizient handeln. Was wird geschehen? Die Atemschutzgeräteträger rüsten sich aus, es wird eine tragbare Leiter aufgestellt, eine Löschleitung auf das Dach vorgenommen und mit den Löschmaßnahmen begonnen. Diese Situation kommt wahrscheinlich sehr vielen Lesern bekannt vor. Jedoch wurde ein Aspekt in dieser Beschreibung nicht erwähnt: der Aufbau und die Anwendung einer Sicherung gegen Absturz.

Auffanggurt UNI 2 (nicht flugtauglich)

Effizienz vs Effektiv

Wir sind es als Feuerwehr gewohnt, so effizient wie nur möglich zu arbeiten, sprich mit einem möglichst geringen Aufwand ein Ziel zu erreichen. Es darf dabei jedoch die eigene Sicherheit nicht verloren gehen.
Den Grundsatz „Eigenschutz vor Fremdschutz“ lernt jedes Feuerwehrmitglied bereits in der Truppmannausbildung und kommt in jeder weiteren Führungsausbildung als erster taktischer Grundsatz „Sichern“ erneut vor. Für das Arbeiten im absturzgefährdeten Bereich hingegen ist es wichtig, so effektiv wie nur möglich zu arbeiten. Das heißt, alle notwendigen Maßnahmen vollumfänglich zu setzen, um einen Absturz zu vermeiden bzw. die Auswirkungen eines solchen auf ein Minimum zu reduzieren.

Nicht nur im Brandeinsatz von Bedeutung

Nicht nur Brandeinsätze auch technische Einsätze verlangen sehr oft die Notwendigkeit einer Sicherung gegen Absturz. Im Vergleich zu Atemgiften, die der menschliche Körper durch Husten, Tränen in den Augen oder Geruch wahrnimmt, wird ein Absturz erst beim Aufprall spürbar. Die Absturzgefahr wird aus den vorher genannten Gründen deshalb vielerorts nicht direkt als Gefahr erkannt. Leider ist es beim Aufprall schon zu spät und es kann zu irreparablen Verletzungen kommen.

Das Bild zeigt einen Rettungsgurt RAPID II 2.0. Dieser ist übrigens auch flugtauglich!

Höhenretter übernehmen nicht im ersten Moment

Für das Arbeiten in exponierten Lagen gibt es in Oberösterreich die Höhenretterstützpunkte. Diese sind speziell für im Seil hängende Arbeiten und die Rettung von Personen aus Höhen und Tiefen ausgerüstet bzw. ausgebildet. Auch im Bereich der Absturzsicherung können und sollen diese Kameraden alarmiert werden und leisten hervorragende Arbeit im Rahmen des Stützpunktwesens. Es gibt jedoch Situationen, wo eine rasche und effektive Sicherung gegen Absturz notwendig ist, um Erstmaßnahmen setzen zu können.

Einlegen der Rettungsleine in das Sicherungsgerät „CAMP-DRUID“. Auf die einfache Anwendbarkeit wurde besonders geachtet.

Die Unwettereinsätze 2021 haben gezeigt, dass langfristig eine flächendeckende Ausrüstung mit Absturzsicherung notwendig ist, um den größtmöglichen Schutz für die Feuerwehrmitglieder im Einsatz garantieren zu können. Diese Maßnahmen werden – wie erwähnt – im weiteren Verlauf durch die Höhenretter ergänzt bzw. unterstützt.

Überblick Absturz-Sicherungsset OÖ 22

Die von der Fa. A. Haberkorn angebotenen Ausrüstungskomponenten wurden durch diese aufeinander abgestimmt und bestimmungsgemäß geprüft.
Es können auch bereits bestehende Komponenten verwendet werden, sofern diese den geforderten Normen und Vorgaben entsprechen. Zu beachten ist im Speziellen, dass das Sicherungsgerät „CAMP-Druid“ mit der Rettungsleine (EN 1891 Typ A, EN 362, 30 m, Ausführung Kernmantelseil) geprüft wurde und mit diesem verwendet werden darf.

Die Einzelteile des neu zusammengestellten Absturz-Sets.

Wie bereits erwähnt kommt dieses Set bei der Beschaffung von Einsatzfahrzeugen zur Anwendung, sofern dies in der Pflichtbeladung vorgeschrieben ist.
Für bestehende Fahrzeuge besteht keine Pflicht der Nachrüstung, wobei die Empfehlung zur Evaluierung innerhalb der eigenen Feuerwehr ergeht, denn nichts ist wertvoller als Kameradinnen und Kameraden, die gesund von den Einsätzen zurückkehren.
• 1 x Transportrucksack
• 2 x Auffanggurt (nicht flugtauglich), EN 361
• 2 x Rettungsleine, EN 1891 Typ A, EN 362, 30 m, Ausführung Kernmantelseil
• 2 x Tragebeutel für Rettungsleine
• 2 x Bandfalldämpfer, EN 355, max. Aufreißlänge 1,75 m, Ausführung: „Schlaufe / Schlaufe“
• 2 x Sicherungsgerät „CAMP – DRUID“, EN 341-2A, EN 12841/C, EN 15151-1 Typ 8
• 14 x Twistlock-HMS-Karabiner, EN 362, 22 kN
• 6 x Bandschlinge, EN 354/795 Typ B, EN 566 – 22 kN, Nutzlänge 0,60 m, Mindestbreite 20 mm, kein Dynemamaterial
• 6 x Bandschlinge, EN 354/795 Typ B, EN 566 – 22 kN, Nutzlänge 1,20 m, Mindestbreite 20 mm, kein Dynemamaterial
• 2 x Schutzschlauch mit Klettverschluss
• 3 x 2 m Reepschnur, EN 564, 5 mm

Für jene Feuerwehren, die immer wieder durch Einsätze im alpinen Gelände gefordert werden und somit auch in den Kontakt mit Fluggeräten kommen können, gibt es die Möglichkeit, anstatt des Auffanggurtes einen Komplettgurt zu beschaffen. Für den von der Fa. A. Haberkorn angebotenen Komplettgurt gibt es eine Freigabe durch die Flugbetreiber. Bei anderen Herstellern gibt es ähnliche Produkte mit einer gleichwertigen Freigabe.

Alternative Ausführung „Flugtauglich“:

• 2 x Komplettgurt, EN 358/361/ 813/1497 und es ist eine Freigabe durch den Flugbetreiber notwendig (z.B. BMLV, …)
Es sei hier angemerkt, dass der im Einsatz befindliche Techniker oder Pilot immer die letzte Entscheidung trifft, ob ein Feuerwehrmitglied mit dem vorhandenen Komplettgurt tatsächlich an das Fluggerät angehängt wird.
Sollte bereits Ausrüstung vorhanden sein und man entscheidet sich dazu, fehlende Komponenten nachzurüsten, ist dies im Sinne der Sache und zweckmäßig.

Info Landes-Feuerwehrkommandant-Stellvertreter Michael Hutterer

Während vielerorts noch über die Ursachen diskutiert wird, sehen wir den Fakten ins Auge: Die Unwettereinsätze in Oberösterreich werden in der Zahl mehr und von der Intensität stärker – darauf gilt es sich vorzubereiten! Und das machen wir in Ausbildung und Ausstattung!

So wie bei allen unseren Einsätzen muss die eigene Sicherheit und Gesundheit unserer Einsatzkräfte mit allen gemäß dem aktuellen Stand der Technik zur Verfügung stehenden Mitteln im Vordergrund stehen! Neben dem zum Thema Absturzsicherung eingeführten Ausbildungsteil in der Truppführerausbildung folgt mit diesem neuen Set nun der technische Teil.

Vieles trägt dazu bei, dass wir den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern noch kompetenter helfen können und „näher“ an bzw. auf das Schadensobjekt gelangen. Dazu haben die in der Vergangenheit beschafften Hubrettungsfahrzeuge und Schweren Rüstfahrzeuge mit Kran (SRF) genauso beigetragen, wie dies nun und in Zukunft die neuen Wechselladerfahrzeuge mit Kran tun werden. Dadurch können wir mehr Einsatzkräfte direkt auf die Dächer bringen – die logische Verantwortung daraus ist, diese auch ordentlich zu sichern!

Dies war der Grund, warum ich nach den Unwettern im Sommer 2021 aus den gewonnenen Erkenntnissen und den eigenen Wahrnehmungen an verschiedensten Einsatzstellen einen „Evaluierungsauftrag Absturzsicherungsset“ an eine kompetente Fachgruppe gegeben habe.
Dieser Auftrag wurde perfekt und unter Einbindung von Spezialisten und Fachfirmen sowie unter Abstimmung mit Politik und Oö. Gemeindebund durchgeführt. Das Ergebnis konnte bei der letzten Landesfeuerwehrleitungssitzung beschlossen und freigegeben werden.
DANKE an alle Beteiligten – gute Arbeit! Jetzt gibt es neben der Beschaffung und der Ausbildung nur noch eines zu tun: Diese Ausrüstung muss im Einsatz und bei Übungen ohne Kompromisse verwendet werden!

BrI Stephan Barth – Höhenretter und Berufsfeuerwehrmann

Das ASS 22 ist aus der Sicht der Höhenrettung betrachtet eine wichtige Ergänzung in der Ausrüstung der Feuerwehr zur „Einfachen Absturzsicherung“ für die Eigensicherung der Einsatzkräfte.

Die Integration eines modernen Sicherungsgerätes wie dem „Camp Druid“ ist besonders hervorzuheben. Dadurch wird eine einheitliche Ausbildung, Schulung und Übung ermöglicht. Gleichermaßen kann hier im Einsatzfall eine qualitativ hochwertige Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Einheiten stattfinden.
Aus Sicht der Höhenrettung muss aber ganz klar definiert werden, dass das Absturzsicherungsset zur Sicherung der Einsatzkräfte gegen Absturz gedacht ist und nicht als „Höhenrettung light“ missbraucht werden darf. Eine nicht zeitkritische und patientenorientierte Rettung aus Höhen und Tiefen kann mit dem Absturzsicherungsset nicht erfolgen bzw. gewährleistet werden. Hierfür ist nicht nur die Ausbildung der Höhenretter-Stützpunkte wesentlich intensiver, auch deren Ausrüstung ist vielfältiger, auf die „spezielle Rettung aus Höhen und Tiefen“ abgestimmt und ermöglicht auch das Arbeiten hängenden im Seil.

Die Mitglieder der Höhenretter-Stützpunkte sind nach Absprache gerne bereit, die örtlichen Feuerwehren im Bereich der Ausbildung zu unterstützen bzw. beraten.

ABI Eduard Paireder – Abteilungsleiter Technik und Innovation und Bezirks-Feuerwehrkommandant

Beginnend mit dem Auftrag wurde der Ist-Stand erhoben und mit dem Stand der Technik verglichen. Bei der Betrachtung und Analyse unserer Arbeitstechnik und der Einsätze wurde klar, dass es zwar den Begriff „Rückhalten“ gibt, wir aber immer auch mit dem Absturz rechnen müssen, da bei unseren Einsätzen die Dachkonstruktion oft schon überbelastet oder geschädigt ist.

In weiterer Folge wurden sämtliche Komponenten inkl. der dazu notwendigen Sicherungsknoten evaluiert. Um den Stand der Technik gerecht zu werden bzw. um eine Risikoreduktion herbei zuführen, wurde sehr schnell klar, dass eine Sicherung nur noch über ein Sicherungsgerät möglich ist. Bei der Auswahl haben wir uns verschiedenste Sicherungsgeräte angesehen und unsere Entscheidung auf Basis der einfachen Bedienung, Fehleranfälligkeit, Kompaktheit und Zulassung angesehen. Zudem ist der notwendige Ausbildungsaufwand beurteilt worden, der im Vergleich zu den notwendigen Sicherungskonten einfacher ausfällt. Entfallen kann die Ausbildung logischerweise nicht.

Das verwendete Gerät ist auf dem modernsten Stand der Technik und besitzt vor allem auch die Zulassung für unsere Rettungsleine in der Ausführung als Kernmantelseil. Damit können wir für die Absturzsicherung ein bereits vorhandenes Material verwenden und damit ggf. Kosten reduzieren. Zudem hat die Rettungsleine in der Ausführung als Kernmantelseil den Vorteil, dass diese nach 10 Jahren erneuert werden muss.

Unser Augenmerk lag immer auf der einfachen und vielseitigen Verwendung der einzelnen Komponenten. Abgerundet wird das gesamte Paket mit einem Transportrucksack, um die Ausrüstung auf einen Griff zum Einsatzort zu bringen. Alle Komponenten sind im Verbund durch die Fa. A. Haberkorn geprüft und zugelassen worden. Zukünftig kommt dieses Set bei der Beschaffung von Einsatzfahrzeugen zur Anwendung, insofern dies in der Pflichtbeladung vorgeschrieben ist.

HLM Felix Schnaubelt und BI Michael Buchbauer – Ausbilder der OÖLFS

Die 4A-1C-4E Regel beschreibt jene Gefahren, die auf Menschen, Tiere, Umwelt, Sachwerte, Mannschaft und Gerät im Einsatz wirken können. Der Einsturz schließt den Absturz von Einsatzkräften mit ein. Daraus resultiert die Notwendigkeit, eine Absturzsicherung zu verwenden.

Absturzsicherung beginnt damit, dass nur jene Kameraden eine Leiter besteigen, welche schwindelfrei und fähig sind, die geforderten Tätigkeiten auszuführen und einen Feuerwehrhaltegurt verwenden. Verlässt man die Leiter, um z.B. auf ein Dach überzusteigen, ist eine zusätzliche Sicherung mittels Auffanggurt und der entsprechenden Sicherungstechnik notwendig.

Heinrich Schläfer prägte das Feuerwehrwesen mit dem treffenden Zitat „Taktik ohne Technik ist hilflos; Technik ohne Taktik ist sinnlos“. Was hilft es, wenn man die besten taktischen Maßnahmen kennt, diese aber nicht umsetzen kann. Eine standardisierte Ausrüstung hilft somit allen Feuerwehrmitgliedern. Es ermöglicht zum einen, eine einheitliche Ausbildung und zum anderen fördert es die Zusammenarbeit unter den Einsatzkräften.

Wenn neue Gerätschaften im Feuerwehrwesen eingeführt werden, muss auch die Ausbildung sichergestellt werden. Eine Analyse der Ausbildung wurde durchgeführt und aus den Ergebnissen resultieren die im folgenden beschriebenen Anpassungen:
Truppmannausbildung (Grundausbildung in der Feuerwehr): Die Inhalte sind der Ausbildungsstufe entsprechend und es gibt derzeit keine Änderungen.
Abschluss-Truppmann (Grundlehrgang): Die Inhalte in Bezug auf das einfache Sichern (Sicherungstechnik „Halten“) wurden angepasst bzw. vereinfacht und werden im Jahr 2022 umgesetzt. Die Teilnehmer sollen hier bereits den Erstkontakt zur Absturzsicherung erhalten und das Erkennen einer solchen gefördert werden.
Truppführerausbildung (TRFA): Die Inhalte in Bezug auf die Absturzsicherung wurden angepasst bzw. vereinfacht und stehen den Feuerwehren zur Verfügung. Angepasst an die Ausbildungsstufe wird in der TRFA das „Halten und Rückhalten“ vermittelt
Technischer-Lehrgang: Die Inhalte der TRFA werden vertieft und gefestigt. Zusätzlich wird die Sicherungstechnik „Auffangen“ gelehrt und intensiv beübt.
Leistungsprüfungen Technische Hilfeleistung und Branddienst: Die Truppaufgaben der Stufe Gold wurden ident gestaltet und beziehen sich auf die Sicherungstechnik „Halten“.
Höhenretter: Die Sicherungstechniken „Halten, Rückhalten und Auffangen“ sind unter anderem Inhalte der Ausbildung zum Höhenretter. Die Integration von weiterführenden Elementen im Bereich der einfachen Absturzsicherung, um die Feuerwehren noch besser unterstützen zu können, sind geplant.

Eine Durchgängigkeit in der Ausbildung ist von enormer Bedeutung, um alle Feuerwehrkameraden zu erreichen und um die Einsätze mit einem mehr an Sicherheit abwickeln zu können. Das dieser Prozess logischerweise ein strategisches Ziel ist und nicht sofort im Sinne einer operativen Umsetzung erreicht wird, ist allen Beteiligten klar. Dessen war sich bereits Martin Luther im Jahre 1546 bewusst, was er mit seinem Zitat „Was Hänsel nicht lernt, das lernet Hans auch nicht“ unterstrich.

Kleinere Etappen in der Ausbildung und standardisierte Techniken können mit dem Führungsgrundsatz der Einfachheit verglichen werden, denn nur das Einfache hat Aussicht auf Erfolg.

Dieser Beitrag wurde im Juni 2022 im Feuerwehr-Fachmagazin BRENNPUNKT publiziert und zur Verfügung gestellt. Mehr zum Feuerwehrmagazin BRENNPUNKT finden Sie unter http://magazin.ooelfv.at

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