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“Das Wasser im Keller gehört mir nicht, also ist die Feuerwehr zuständig” → aus dem Leben einer Leitstellen-Disponentin

Wie bereits mehrfach an vielen Stellen berichtet, bedeutete der unwetterreiche Sommer 2021 viele Starklasttage in den Landeswarnzentralen. In Oberösterreich war das nicht anders.

Als alarmierte Feuerwehr oder gar als Zivilist merkt man in den wenigsten Fällen bis überhaupt nicht, wie sich einer dieser Starklastfälle in einer Landes- oder Bezirkszentrale bemerkbar macht. Anlass genug, genau diese Häufung des heurigen Jahres dazu zu verwenden, einmal einen Disponenten zu Wort kommen zu lassen und seine Sichtweise zu schildern. Der nachfolgende Beitrag stammt aus dem Feuerwehrmagazin Brennpunkt, Ausgabe 5/2021 vom Oktober.

Caroline Leitner ist Disponentin in der Landeswarnzentrale in Linz und hat einen dieser speziellen Tage aus ihrer Sicht her beschrieben. Vorhang auf für eine Betrachtungsweise einmal von der anderen Seite: Dienstübergabe – kurz die Ereignisse vom Tag besprochen – wettermäßig tut sich nichts – die letzten Nächte haben aber auch gereicht – ab geht’s nach Hause – hinter mir (grob gesagt) die Sintflut.

Nur kurz zur Feuerwehr

Noch schnell einen Abstecher zur Feuerwehr, die Übung ist schon vorbei, aber das Wetter lässt es zu, dass wir im Freien einen gemütlichen Abschluss machen. Wir stehen in geselliger Runde zusammen und philosophieren über das Feuerwehrwesen.

Caroline Leitner ist Disponentin in der Landeswarnzentrale in Linz und schilderte dem Feuerwehrmagazin Brennpunkt sehr eindrucksvoll ihre Erfahrungen von einem der Starklasttage.

Mein Handy läutet, ich schaue auf das Display, lasse alles liegen und stehen und laufe kommentarlos zum Auto – „LWZ Starklastfall“ ruft mich an. Bei der Fahrt nach Linz sortiere ich meine Gedanken, „kein einziger Tropfen, man sieht nichts“, „hat jemand versehentlich #122 ausgelöst und somit alle Disponenten alarmiert?“, „die ZAMG hat doch gar nichts gemeldet“. Ich stehe an vielen Ampeln, die Stadt ist menschenleer und warte die Rotphasen ab – nichts für einen so ungeduldigen Menschen wie mich.

Verdächtig ruhig

Im LFK angekommen, laufe ich rauf in die Einsatzzentrale, es ist verdächtig ruhig. Kein gutes Zeichen, sie haben das Notrufläuten bereits abgedreht. Das heißt, das anstehende Gespräch wird dann direkt über das Headset mit einem „Anklopfen“ signalisiert. Gesamt sind drei Kollegen da, zwei, die im Nachtdienst sind und einer war zum Übernachten im Haus geblieben und ist bereits in die Zentrale zurückgekehrt.

Zwei kurze Handzeichen und ich kenne meine Aufgabe. Nach den ersten beiden Notrufen weiß ich nun auch, dass es das Seengebiet rund um Gmunden schwer getroffen hat. Diesmal war es der Hagel.

Notrufliste füllt sich

Die Notrufliste mit den anstehenden Anrufen füllt sich. Ich merke, wie sich kurze Verzweiflung über meine Stirn breit macht. Die Stimmen meiner Kollegen klingen sanft und beruhigend, selbst auf mich, alle haben denselben Tenor: alles wird gut – bitte haben Sie Geduld – Sie schaffen das – Hilfe kommt!

Dauert nicht lange und die Plätze neben mir füllen sich mit bekannten Gesichtern, an der Pyjamahose und der Sturmfrisur meines Kollegen, erkenne ich, dass offensichtlich auch er keine Zeit zum Uniformieren hatte. Im Vergleich dazu schaue ich noch adrett aus. Kurz wünsche ich mir das ORF-Kamerateam herbei …

Alle Calltaker-Plätze besetzt

Da nun alle Calltaker-Plätze besetzt sind und auch die vier Hauptarbeitsplätze bedient werden, wird der Arbeitsmodus gewechselt. Nur ein Kollege alarmiert die Feuerwehren und hat somit die Kontrolle, wie stark das Funknetz belastet wird. Hierbei haben Menschenrettungen Vorrang. Einer kümmert sich um den Funk und um die Amtsleitung. Der Rest der Mannschaft fungiert als Calltaker. Klingt einfach, bedarf aber sehr viel Fingerspitzengefühl.

Im Starklastfall werden die Notrufkojen schnellstmöglich besetzt – ob hier nun in Uniform oder auch einmal im Pyjama ist dem Anrufer genauso egal, wie den Kollegen. Die Annahme und die Alarmierung zählen.

Dialekte und beim Huber Bauer, wo der Kran steht …

Die Sprachbarriere, die sonst durch Fernfahrer bekannt ist, bildet nun die Vielfalt der Dialekte in unserem Bundesland. Auch herrscht der Irrglaube, wenn man 122 ruft, hebt der ortsansässige Feuerwehrkommandant ab. So kann ich in Linz mit Ortsangaben wie „beim Huberbauer, wo gerade der Kran steht“ nichts anfangen – unmittelbar gefolgt von „seit zwei Stunden stehe ich vorm Feuerwehrhaus und niemand macht mir auf!“

Angaben wie “dort, wo gerade der Baukran steht”, helfen einem Disponenten nicht weiter. In den allerwenigsten Fällen ist er mit den Situationen vor Ort – vor allem nicht über Dinge wie diese – vertraut. Er sitzt in den meisten Fällen ganz woanders vor seinem Alarmrechner.

Auch der Zeitfaktor beim Gespräch spielt eine große Rolle – nicht zu jedem umgefallenen Baum ist die Familiengeschichte wichtig für den Feuerwehreinsatz.
Generell sind umgefallene Bäume schwierig zu alarmieren, haben sie doch im Vergleich zu überflutete Keller keine Hausadresse. Auch hier ist es mühsam, den Anrufer genügend zu motivieren, den Baum, der eigentlich ein Ast ist und sich bei näherer Betrachtung als Zweig entpuppt, wegzuräumen.

Wir gehen mit in den Keller und mehr

Oft werden wir – gerade bei Überschwemmungen – während des Notrufgesprächs mit in den Keller genommen. Der schlechte Empfang macht das Gespräch unnötig schwierig. Auch in eine bereits überflutete Unterführung trotz Absperrung doch noch reinzufahren, um dann festzustellen, dass eine Weiterfahrt nicht möglich ist, ist besonders am Ende einer Schwangerschaft nicht zu empfehlen.

„Das Wasser im Keller gehört nicht mir!“

Besonders kreativ finde ich auch den Hinweis, dass das Wasser von der Überflutung im Keller nicht ihnen als Hausbesitzer gehört – somit ist die Feuerwehr dafür zuständig. Die Aussage hätte von mir sein können, der Staub in meiner Wohnung gehört ja schließlich auch nicht mir …

Auch ist die Vorstellung mancher Notrufteilnehmer fern von jeglicher Realität: Der vom Sturm erfasste Baum, der ohne weiteren Schaden einfach nur umgefallen ist, soll von der Feuerwehr in Meter-Scheiteln aufgearbeitet und in den Keller geräumt werden. Ich bemühe mich, mein Augenrollen im Gespräch nicht hörbar zu machen – tatsächlich denke ich mir aber meinen Teil.

Besetzen der eigenen Zentrale leider nicht selbstverständlich

Im Hintergrund höre ich meinen Kollegen wie er – sagen wir es höflich – der Feuerwehr den Hinweis gibt, die Florianstation zu besetzen. Die Wortwahl war klar und unmissverständlich. Leider wird so oft darauf vergessen, die Zentrale im Feuerwehrhaus zu besetzen. Sie hat aber die wichtige Funktion, als Schnittstelle zu dienen – zwischen den unzähligen Hilfsansuchen, die bei uns am Notruf einlangen und den bereits eingesetzten Kameraden draußen.

Hier ist ein gut ausgebildeter Kamerad Gold wert. So kann er eine Priorisierung durchführen und die Koordinierung übernehmen. Schlagwörter wie „Pelletslager im Keller“ lassen ein geschultes Auge schon erahnen, dass hier der Faktor Zeit wichtig ist und einen größeren Sachschaden verhindern kann. Die Personenrettungen und Brände werden trotz bereits alarmierter Einsätze nochmal „scharf“ alarmiert. Fraglich bleibt, ob der einzelne Kamerad, der neben den Motorgeräuschen des Generators knietief im Wasser steht, die Alarmierung auch noch hört. Hier ist wiederum der Kamerad in der Florianstation gefragt.

Es wird langsam ruhiger

Schön langsam wird es ruhiger und die Anruferliste überschaubar. Meine vier Kaffee machen sich auch bemerkbar. Ich freue mich, dass ich mich kurz davon schummeln kann, um auszutreten. Zurück an meinem Platz unterstützen wir noch die Feuerwehren draußen. Jede WAS-Endstelle kann 20 Aufträge anzeigen, die weiteren 20 wandern in die sogenannte History. Hier kann man schnell den Überblick verlieren.

Endlich kommt die lang ersehnte Erlösung – der Pizzamann klingelt. Einer der Kollegen hat vorausschauend für uns alle Pizzen bestellt – er hatte recht, es ist nun 01.00 Uhr und der Magen knurrt. Wie auch zu Hause bei der Feuerwehr, sitzen wir nach getaner Arbeit zusammen und schließen den Starklastfall mit einer gemeinsamen Jause ab. Die Stimmung wird lockerer, der ein oder andere Schmäh läuft und auch die besagte Pyjamahose wird zum Thema.

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Kurze Pause, dann geht‘s weiter

Es wird Zeit, endlich nach Hause zu fahren. Der reguläre Nachtdienst übernimmt nun alleine. Aber in wenigen Stunden beginnt mein eingeplanter Tagdienst und somit warten weitere 12 Stunden auf mich …

Oö. Landes-Feuerwehrverband

Feuerwehrmagazin Brennpunkt

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