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Liebherr-Autokran gegen 4-Achs-Wechsellader mit Kran → das WLF-K2 Oberösterreich (WLF mit 74-Meter-Tonnen-Kran)

Die Freiw. Feuerwehr Enns im Bezirk Linz-Land hatte lange Zeit als Stützpunktfahrzeug einen 50 Tonnen Liebherr-Kran in Betrieb. Da ein Schwerfahrzeug dieses Typs bei einem anderen Stützpunkt in Oberösterreich benötigt worden ist, stellten sich die Ennser von sich aus für ein Pilotprojekt zur Verfügung. Dieses besteht aus einem neuen Kombinationsfahrzeug, das für Hebe- und Logistikzwecke gleichzeitig geeignet ist.

Dieser Artikel ist bereits 2020 im Feuerwehrmagazin BRENNPUNKT publiziert worden und wird nun aufgrund vieler Anfragen und zweier Kurzbeiträge hier auf Fireworld.at per 6. Dezember 2022 auch hier bereitgestellt bzw. die Oberösterreich-Ausführung “WLF-K2 vorgestellt”

Von Hermann Kollinger

Die Freiwillige Feuerwehr der Stadt Enns führt schon viele Jahre eines der Kranfahrzeuge, die seitens des Katastrophenschutzes des Oö. Landes-Feuerwehrverbandes quer durch Oberösterreich dorthin verlagert worden sind. Verlagert in dem Sinn bedeutet in Oberösterreich, dass der Katastrophenschutz die Anschaffungskosten bestreitet und das Fahrzeug zu einer Stützpunktfeuerwehr stellt, die dann – bzw. die Gemeinde – den Erhalt des Fahrzeuges zu bestreiten hat. Das ist auch heute – 2022 – bei allen Stützpunktgeräten so, ob nun Fahrzeug oder Boot.

Bis zum Austausch gegen das erste WLF-K2 Oberösterreichs hatte die Feuerwehr Enns als Stützpunktgerät einen Liebherr-Autokran.

Bis 2019 waren bei sieben 50-Tonnen-Liebherr Kranfahrzeuge (LTM 1070) sowie ein LTM 1040 bei den acht Schwerkran-Stützpunkten im Bundesland stationiert. Eigentlich wären die 1070er ja 70-Tonnen-Kranfahrzeuge, da jedoch aufgrund der erforderlichen Zusatzgewichte eine weitere Transporteinheit erforderlich wäre, wurde diese Reduktion in Kauf genommen.

Fahrzeug benötigt, Enns gibt ab

Die Feuerwehr Bad Leonfelden im Mühlviertel betreibt einen der jüngsten Kranstützpunkte und hatte zu ihrem Start den alten Kran der Linzer Berufsfeuerwehr (LT 1040) übernommen. An diesem Fahrzeug nagte aber der Zahn der Zeit bereits mit großer Kraft, so dass ein Upgrade erforderlich geworden ist. Zu diesem Zeitpunkt dachte man beim Katastrophenschutz des Oö. Landes-Feuerwehrverbandes inzwischen daran, das Stützpunkt- bzw. Fahrzeugkonzept etwas zu überdenken bzw. flexibler zu gestalten.

Das WLF-K2 Oberösterreich, wie er nun derzeit nur in Enns steht – weitere in Planung – ist nicht nur von der Anschaffung und Erhaltung deutlich günstiger, sondern auch flexibler einsetzbar. Es kann zusätzlich auch noch Logistik-Aufgaben wahrnehmen.

Im Zuge der Gespräche ergab es sich dann, dass sich die Verantwortlichen der Freiw. Feuerwehr Enns sofort bereit erklärt haben, ihren schweren Brummer an den Verband zu retournieren (der dann nach Bad Leonfelden ging) und an einem Pilotprojekt teilzunehmen. Der Weg dafür war somit einfacher geebnet als gedacht.

Beleuchtung der Stützpunkte

Das Stützpunktwesen des Katastrophenschutzes besteht inzwischen seit einigen Jahrzehnten und geht aus den Erkenntnissen der Hochwasserkatastrophe im Jahr 1954 hervor. Sowohl die Anforderungen als auch die technischen Möglichkeiten haben sich im Laufe der Jahre verändert. Damals und in den letzten Jahren als wichtig erscheinende Aufgaben fielen weg oder sind aufgrund vieler Veränderungen teilweise nur mehr am Rande von Bedeutung.

Auf der anderen Seite wiederum sind neue Aufgabenfelder hinzugekommen. Diese Faktoren führten dazu, dass man schon vor einiger Zeit damit begonnen hat, das gesamte Stützpunktwesen in Oberösterreich etwas unter die Lupe zu nehmen, Adaptierungen vorzunehmen, Technik zu verändern oder – so wie jetzt – Pilotprojekte ins Leben zu rufen.

Der schwere Bergekran

Der bislang auch in Enns genutzte Liebherr-Schwerkran LTM 1070/1 zeichnete sich aufgrund seiner Hubleistung und seiner 200 kN-Heckseilwinde lange Zeit als Bergekönig aus. Kein Glanz ohne Schatten, den es auch bei diesem Fahrzeugtyp gibt: Sein hohes Gewicht erfordert nicht nur eine Routengenehmigung, sondern schränkt auch die örtlichen Erreichbarkeiten ein. Ebenso waren und sind die Kosten für Service, Wartung und Ersatz entsprechend hoch.

Alleine ein Reifensatz stellt einen Gegenwert eines Pkw dar. Hinzu kommen die im Verhältnis eingeschränkten Einsatzmöglichkeiten. Bei allem Für und Wider hatte und hat selbstverständlich auch dieser Fahrzeugtyp seine Einsatzberechtigung. Fahrgestelle und Ausladungen der Ladekräne bzw. den Trägerfahrzeugen haben sich inzwischen jedoch auch zu sehr leistungsfähigen Alternativen entwickelt, die nun die Feuerwehr Enns testen wird.

Kran und Transport

Im Zuge der für die Entwicklung des Prototypen geführten Gespräche war man sich über das neue Konzept recht flott einig, es sollte ein Fahrzeug werden, dass sich durch höhere Einsatzflexibilität auszeichnet und nach Möglichkeiten weniger Gewicht auf die Waage bringt sowie geringere Beschaffungs- und Erhaltungskosten mit sich zieht.

Fündig wurde man schlussendlich mit einem Vierachs-Fahrzeug mit Kran hinter dem Fahrerhaus und Hakenlift, um auf diese Weise eben Hebe- und Transportfunktionen kombinieren wird. Dass der Kran lange schon nicht mehr nur Bergezwecke erfüllt, haben alleine schon die Einsätze in der jungen Vergangenheit mehrfach gezeigt.

Ob Schneedruck, Hochwasser, Sturm, Unwetter und Co → zum Heben gibt’s immer was, ob es technische Geräte wie Pumpen und dergleichen sind, ob es darum geht, beim Schneedruck Personal und Gerät auf Dächer zu hieven oder dort zu sichern, ob es um das Abräumen von Brandgut geht oder eine Verklausung zu beseitigen ist usw. Für die Stabilisierung des Fahrzeuges beim Kranbetrieb sind fünf Stützen ausschlaggebend, zwei auf jeder Fahrzeugseite jeweils vorne und hinten sowie eine weitere im Frontbereich des Lkw.

Das Wechsellader-System sorgt zudem für zusätzliche Transportaufgaben als auch für ausreichend Raum, Geräte mitzuführen ohne dabei wie bisher ein eigenes Fahrzeug zu benötigen, wenngleich die Feuerwehr Enns aufgrund ihrer Pflichtbereichsklasse auch über einen zusätzlichen Lkw im Dienst hat und diesen auch in Verbindung mit dem Wechsellader „Kran“ nutzt.

74 mt Kran, Seilwinden und Hakengerät

Eines der Kernstücke, das bei dem 368 kW (500 PS) MAN TGS 35.500 8x4H-6 BL Fahrgestell mit knapp 26 Tonnen Eigengewicht gleich ins Auge sticht, ist der 74 Meter-Tonnen-Kran von Palfinger (PK-78002SH-G). Ihn ihm liegt auch die Hauptaufgabe des Vierachsers.

Seine Ausladung erlaubt beispielsweise das Heben eines knapp 7,4 Tonnen schweren Fahrzeuges auf 9 m Ausladung oder eines 3,5 Tonnen schweren Gegenstandes auf 16 m Ausladung. Bei „Person unter Lkw“ sind bei Minimalausladung des Krans 20 Tonnen Hubkraft drin. Bei Arbeiten in der Höhe schafft der Kran, der übrigens ohne JIB (also ohne zusätzlichem Knickarm) ausgeführt ist, 22 Meter. Für Zugarbeiten schafft die Heckseilwinde, eine Rotzler Treibmatic TR 080/7, eine Leistung von 80 kN, also acht Tonnen, mit einem Seilvorrat von 80 Metern.

Die maximal erreichbare Zugkraft liegt bei elf Tonnen. Die am Kranarm montierte Winde weist eine Leistung von 35 kN mit einer Seillänge von 66 Meter auf, per Umlenkrolle sind sieben Tonnen Hubkraft zu erzielen. Der Abrollhaken von Palfinger ist mit 15 Tonnen ausgelegt.

Mit diesem Prototyp startet ein weiterer und wichtiger Schritt in die Flexibilisierung des Oö. Stützpunktsystems. Hierbei wird es in Zukunft nicht mehr nur um „entweder-oder“ sondern vielmehr um „sowohl-als auch“ gehen → also für alle möglichen Aufgabenstellungen die richtige Gerätschaft unter Beachtung der finanziellen Möglichkeiten vorrätig zu halten. Danke an die Einsatzkräfte der FF Enns, dass sie uns hier als Projektpartner zur Verfügung stehen.

Landes-Feuerwehrkommandant Stellvertreter Michael Hutterer (2020)

Der Vierachser bringt übrigens mit dem höchstzulässigen Gesamtgewicht 32 Tonnen auf die Waage, fünf weitere Tonnen mit Routengenehmigung. Inklusive dem Abrollbehälter ist eine Nutzlast von sieben Tonnen möglich, wobei die technische Nutzlast noch um 7.000 weitere Kilogramm höher liegt. Um diese technisch mögliche Zusatzlast auch ausreizen zu können, wurde vom Landes-Feuerwehrverband erfolgreich eine Routengenehmigung beantragt. Somit ist eine Ladung von zehn Tonnen zulässig!

Für den Abrollbehälter mit Vertikallift mit vorgesehen bzw. darauf verladen sind Zusatzausrüstungsgegenstände wie Arbeitskorb, Schalengreifer, Holzgreifer, Palettengabel, Hebetraversen für Pkw und Lkw sowie Unterlegeholz, Endlosschlaufen und mehr.

Kein Generalersatz für alle

Der Wechsellader mit Kran dieser Art wird aus heutigem Standpunkt her vermutlich nicht alle schweren Kranfahrzeuge in Oberösterreich ersetzen. Es gilt nun, das neue System auf Herz und Nieren in der Praxis zu testen.

Die Feuerwehr Enns ist nun auch in der Lage, direkte Vergleiche mit dem vorangehenden Schwergerät zu ziehen. Von den gewonnenen Erfahrungen wird es abhängen, welche der bestehenden Kranfahrzeuge künftig hin durch das Hebe- und Logistik-System ausgetauscht werden bzw. welche der schweren Klasse bestehen bleiben werden. Daseinsberechtigung haben beide Typen. Es gilt dann, die bestmögliche Kombination davon zu finden. Übrigens ist dieser Fahrzeugtyp ein weiterer Schritt in der „Logistik-Offensive“ des Katastrophenschutzes, das auch den verstärkten Einsatz von Wechselladerfahrzeugen vorsieht.

Update 2022 – weitere WLF-K2 für Oberösterreich

Als Stand der Dinge im Jahr 2022 werden in den nächsten Handvoll Jahren nach dem Kenntnisstand noch die Feuerwehren Braunau am Inn, Alkoven (derzeit 3-Achser mit 33 mt-Tonnen Heckkran), Micheldorf (derzeit Liebherr 1070) und Naarn mit einem WLF-K2 ausgestattet und das Konzept mit diesem Fahrzeug somit für Oberösterreich komplettiert.

Statement Alfred Stummer (2020)

„Warum haben sie euch den Kran weggenommen?“ – das war die häufig gestellte Frage, die mir beim Bekanntwerden der Verlegung des Mobilkranes vom Stützpunkt Enns nach Bad Leonfelden immer wieder gestellt wurde. Dass die „Wegnahme“ mit dem Landes-Feuerwehrkommandanten und den zuständigen Funktionären im Vorhinein bereits abgesprochen und wegen des dringenden Bedarfs in Bad Leonfelden auch notwendig und sinnvoll war, musste ich erst dann erklären. Da uns vom Landes-Feuerwehrverband angeboten wurde, ein neues Fahrzeug für das Transport- und Logistikkonzept in Enns zu stationieren und diesen Prototypen auf seine Praxistauglichkeit zu überprüfen, fiel der Abschied von unserem Kranfahrzeug natürlich leichter.

Da wir in unserer Feuerwehr immer an Neuerungen im Fahrzeugwesen interessiert sind, war es natürlich von Anfang an spannend, in die Beschaffung des neuen Fahrzeuges eingebunden zu sein. Bei einigen Besprechungen wurde im Jahr 2018 die Fahrzeugkonfiguration festgelegt und auch so bestellt. Nach der Bauphase wurde am 4. Dezember 2019 die offizielle Übergabe des WLF K2 KS auf einem MAN TGS 35.500 mit dem Abrollbehälter „KS“ (Katastrophenschutz) an die FF Enns durch den Landes-Feuerwehrkommandanten und seinem Stellvertreter vorgenommen.

In den ersten fünf Monaten seit der Indienststellung lag natürlich das Hauptaugenmerk auf der Einschulung und Ausbildung am Fahrzeug – insbesondere am Ladekran und dem Hakengerät der Fa. Palfinger. Besonders die ausgezeichneten Fahreigenschaften und die Wendigkeit verblüffen bei so einem großen, vierachsigen Wechselladefahrzeug. Die Hubkraft des imposanten Ladekrans überzeugte auf ganzer Linie und wurde im Zuge der Schulungen mit Gewichten bis zu sieben Tonnen getestet. Dabei zeigte sich, dass ein feinfühliges Fahren mit dem Kran unter allen Bedingungen möglich ist.

Umlernen war auch angesagt! Denn statt in einer Kabine zu sitzen und vom Kranfahrzeug hinunter zu schauen oder sich an einem Einweiser zu orientieren, ist es jetzt möglich, neben der Last zu stehen und deren Verhalten beim Anheben aus unmittelbarer Nähe sehen zu können.

Das Fahrzeug war schon bei verschiedensten Einsätzen eingebunden, von der Bergung von Fahrzeugen nach Unfällen über diverse Hebe- und Transportarbeiten, aber auch bei einem Wohnhausbrand wurde es angefordert. Dabei zeigten sich keinerlei Schwächen und auch Teile des mitgelieferten Zubehörs, wie Schalengreifer und Blochzange konnten überzeugen.

Den Mobilkran Liebherr LTM 1070 mit dem WLF K2 KS zu vergleichen ist aus meiner Sicht gar nicht zielführend, da beide für unterschiedliche Zwecke und Aufgaben konzipiert und verwendet werden.

Beim Ersten beschränkt sich dies auf das Heben und Ziehen von schweren Lasten, wobei beim WLF zu diesen beiden Aspekten noch die Transportkomponente dazu kommt. Somit ist das WLF aus meiner persönlichen Sicht für die zukünftigen Aufgaben meine Feuerwehr funktioneller einsetzbar, jedoch haben beide Fahrzeugtypen meines Erachtens eine Berechtigung im Feuerwehrwesen und sollten sich im besten Falle ergänzen.

Das Begleitvideo zur Fotoreportage

160 Bilder

160 Bilder hat der Fotograf von der Reportage archiviert. Diese sind auf seiner Webseite auf http://www.feuerwehrfotos.com zu finden!

Vierachser-WLK FF Steyr

Hier noch das 4-Achs-WLF der Feuerwehr Steyr, das aber nicht das klassische Stützpunktfahrzeug darstellt. Zahlreiche Bilder davon sind auf http://www.feuerwehrfotos.com zu finden!

Oö. Landes-Feuerwehrverband

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