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Stmk: 520 Tonnen Feuerwehrfahrzeug als Feuerwehrhaus → Bairisch Kölldorf

Österreich ist ein Land mit vielen Größen. Auch im Bereich der Feuerwehr kann das Alpenland mit einer wahren Größe aufarten, nämlich dem größten Feuerwehrauto der Welt. Es wiegt satte 520 Tonnen, verfügt über voll funktionsfähige Blaulichter, Scheinwerfer, Scheibenwischer usw. und ist – ein Feuerwehrhaus! Es steht im steirischen Bairisch-Kölldorf und bietet der gleichnamigen Feuerwehr eine Aufsehen erregende Unterkunft. Immer wieder sieht man dort und da ein Bild im Internet, Anlass genug, das Feuerwehrhaus auch an dieser Stelle mal wieder genauer unter die Lupe zu nehmen.

Text und Bilder: Hermann Kollinger

Story und Bilder sind schon ein paar Jährchen alt, da aber die ganz alten Beiträge leider nicht mehr im neuen System von Fireworld.at sind, wurde es somit nun wieder implementiert.

Für großes Staunen sorgt nicht nur unter den Feuerwehrmitgliedern das Feuerwehrhaus der Freiw. Feuerwehr Bairisch-Kölldorf in der östlichen Steiermark, Gemeinde Bach Gleichenberg. Grund genug, dieser Wehr einen Besuch abzustatten (ich glaube, es war 2014) und die Unterkunft sowie deren Entstehungsgeschichte einmal näher unter die Lupe zu nehmen.

Die Feuerwehr

Die 1929 gegründete FF Bairisch-Kölldorf verfügt über rund 100 Mitglieder (inkl. Feuerwehrjugend) sowie einen Fuhrpark von drei Fahrzeugen (ein Mannschaftstransportfahrzeug (MTF), ein Bergelöschfahrzeug mit Vorbaupumpe (BLF-A), ein Rüstlöschfahrzeug (RLF-A 2000)) und einen Anhänger.

Ausblick durch die Windschutzscheibe 🙂

Die Wehr rückt pro Jahr zu durchschnittlich 70 verschiedenen Einsätzen aus, wobei die Schwerpunkte im Bereich der Technischen Hilfeleistungen liegen!

Platznot – Um- oder Neubau?

Seit mehreren Jahren wurde aufgrund der zunehmenden Platznot im Feuerwehrhaus über einen Neu- bzw. Um- oder Zubau diskutiert. Zugunsten geringerer Kosten wurde schlussendlich die Entscheidung für eine Erweiterung des bestehenden Feuerwehrhauses gefällt. Neben dem bestehenden Gebäude stand für dieses Vorhaben noch ausreichend Platz zur Verfügung.

Seitens des Gemeinderates wurde am 23. Oktober 2000 grünes Licht für die Errichtung des Zubaues gegeben. In der Folge wurde Architekt Werner Reicht, der in der näheren Umgebung von Bairisch-Kölldorf wohnt, beauftragt, sich mit der Planung der Erweiterung des Feuerwehrhauses zu beschäftigen. Der Architekt war es schlussendlich, der den Mitgliedern der Wehr eine außergewöhnliche Idee auf den Tisch legte, dem Zubau ein nicht alltägliches Aussehen zu geben: Er sollte optisch einem in Österreich üblichen Tanklöschfahrzeug entsprechen. Lediglich die Maße waren im Vergleich bereits überdimensional: 6,3 m hoch, 25,4 m lang, 7,5 m bzw. 12 m breit. Der Turm für die Schlauchtrocknung wurde mit 14,8 Meter bemessen und sollte ebenfalls kein gewöhnlicher Schlauchturm werden.

Ein großes Wagnis

Dieses Vorhaben stellte aufgrund seiner Einzigartigkeit naturgemäß auch ein Wagnis dar und sorgte auch unter den Mitgliedern der Feuerwehr für ausführliche Diskussionen, ob diese Idee auch tatsächlich in die Praxis umgesetzt werden sollte. Bei aller Euphorie für ein derartiges Projekt galt es einige Faktoren zu bedenken.

Schlussendlich besteht bei Vorhaben wie diesen die Gefahr, dass sie bei Bekannt werden doch sofort massiv kritisiert werden könnten, bevor der Bau überhaupt fertig gestellt oder gar begonnen wäre. Zudem könnte der Eindruck entstehen, wie man für ein derartiges Vorhaben überdurchschnittlich hohe Steuergelder aufbringen könnte – ohne dabei die Fakten zu kennen, wie es bei Kritikern ja auch immer wieder vorkommt.

Positive Entscheidung

Nichts desto trotz einigten sich die Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr Bairisch-Kölldorf dennoch, dem einzigartigen Bauprojekt zuzustimmen und den Zubau einem Feuerwehrfahrzeug nachzugestalten. Zudem war man sich aber auch in einem wesentlichen Punkt einig: Das Vorhaben sollte nicht an die große Glocke gehängt werden, sondern erst einmal entstehen und fertig gestellt werden.

Der Bau selbst ging noch sehr unspektakulär von statten und lange Zeit hatte es den Anschein, als würde es ein gewöhnliches Feuerwehrhaus wie viele andere werden, da der Bau als einfache Hallenkonstruktion ausgeführt wurde.

Lange Zeit, gar bis wenige Woche vor den offiziellen Eröffnungstermin, ließ der Rohbau immer noch nicht darauf schließen, dass hier das größte Feuerwehrfahrzeug der Welt entstehen würde, da es nach wie vor einem herkömmlichen Bau aus Beton entsprach, was sich mit dem Beginn der Malerarbeiten dann doch schlagartig ändern sollte. Auch der nicht ganz der Norm entsprechende Turm am hinteren Teil des entstehenden Gebäudes überraschte in der anfänglichen Phase noch nicht. Zu diesem Zeitpunkt wussten außer den Feuerwehrmitgliedern noch die wenigsten, dass er der „Drehleiteraufsatz“ des Feuerwehrfahrzeuges werden würde und zum Trocknen der Schläuche dienen würde.

Farbe kam ins Spiel

Mit dem zunehmend voranschreitenden Anstrich des Gebäudes nahm das Geheimnis dann doch langsam seine Formen an. Während die rote Farbe des Gebäudes noch nicht all zu viel verraten hätte, ließen die Sonderausstattungen wie Außenspiegel, Blaulichter, Kotflügel, Jalousien und Stoßstangen in zunehmendem Ausmaß auf ein Projekt der besonderen Art schließen. Es würde mehr entstehen, als bloß ein Feuerwehrhaus.

Verwalter Andreas Posch erzählte, dass man für die Räder eigentlich welche von den Riesen-Transportern des steirischen Erzberges heranziehen wollte. „Dies hätte aber leider den Kostenrahmen gesprengt und so sind wir auf die Reifen eines herkömmlichen Baggers ausgewichen. Es bedeutete jedoch nochmals einen hohen Aufwand, diese Reifen den Bedürfnissen anzupassen und diese ordnungsgemäß zuzuschneiden“, so Posch weiter. „Zudem hätten wir geplant, dass wir die Windschutzscheibe in der Kommandozentrale durchgehend und in einem Stück einbauen.

Aber auch hier wurde aus finanziellen Gründen ein Schritt zurück getan und die Einheit in zwei Teile geteilt. Nachdem wir uns für die Realisierung dieses einzigartigen Vorhabens ausgesprochen haben, war die eigene Leistungsbereitschaft der Mitglieder der FF Bairisch-Kölldorf auch entsprechend hoch, was ein hohes, finanzielles Einsparungspotential zur Folge hatte.“

Jalousien öffnen sich

Die Jalousien des Feuerwehrfahrzeuges lassen sich – natürlich – öffnen. Stellen sie schlussendlich die Ausfahrtsmöglichkeit für die drei in der Garage befindlichen Einsatzfahrzeuge der Wehr dar. Weiters sind in diesem Zubau auch die Garderoben für die Feuerwehrmitglieder untergebracht. Weitere Räumlichkeiten wie Aufenthaltsraum oder auch der Lehrsaal befinden sich im alten Gebäudeteil, also außerhalb des Fahrzeuges.

Die Bilder stammen von 2014.
Die Bilder stammen von 2014.

Die Unterbringung zusätzlicher Räumlichkeiten wäre auf der im Fahrzeug verbauten Fläche von 265m2 dann nicht mehr möglich gewesen. Dies hätte die Gesamtdimension des Projektes doch wesentlich vergrößert, was aber aufgrund der weiteren Nutzung des Altbaues auch nicht zur Debatte gestanden wäre.

Hohe Eigenleistungen der Feuerwehr

Wie eingangs bereits erwähnt, lässt der erstmalige Anblick des Gebäudes auf sehr hohe Baukosten schließen. Dem ist jedoch nicht so: Die Gesamtbaukosten beliefen sich auf 300.000 Euro. Ein Beitrag, der beim Bau von herkömmlichen Feuerwehrhäusern dieser Größe durchaus rasch erreicht wird. Zudem waren die Eigenleistungen der Wehr sehr hoch: Die FF Bairisch-Kölldorf leistete nicht nur rund 3.600 Arbeitsstunden, sondern mit 161.750 Euro auch den Mammutanteil der erforderlichen Finanzmittel.

„Der Vorteil einer Feuerwehr ist die Vielfalt der darin verfügbaren Berufe der einzelnen Mitglieder. So wurden sämtliche Sonderinstallationen wie eben die funktionierenden Scheinwerfer, Blaulichter etc. und die dafür notwendigen Steuereinheiten alle in Eigenregie durchgeführt, um auf diese Weise das Budget – erfolgreich – zu entlasten“, erklärt Verwalter Andreas Posch im Zuge der Führung durch den Betonkoloss.

Von der Gemeinde wurden 115.000 Euro an Finanzmittel bereitgestellt. Die öffentlichen Fördermittel bilanzierten mit 23.250 Euro. Dankenswerter Weise stellten sich auch einige heimische Unternehmen als Sponsoren für den Aufsehen erregenden Zubau ein!

Zubau wurde zum Besuchermagneten

Nach der feierlichen Eröffnung des Feuerwehrfahrzeuges, sprich des Feuerwehrhauses, am 26. Mai 2002, sollte sich der außergewöhnliche Bau von Bairisch-Kölldorf rasend schnell zu einem wahren Besuchermagneten entwickeln.

Nicht nur, dass es das Wahrzeichen der Gemeinde wurde, die Nachricht über das größte Feuerwehrfahrzeug der Welt sollte sich auch sehr schnell über die Landesgrenzen hinaus verbreiten. Man zählte in einem Jahr schon an die 15.000 Besucher! Rund die Hälfte der Feuerwehrhaus-Pilger waren Mitglieder einer Feuerwehr, für die das Haus natürlich eine besondere Anziehungskraft auswirkt.

Die Besucher kommen zwischenzeitlich aus allen Teilen der Welt und ein Hotel direkt neben dem Feuerwehrhaus sorgt dafür, dass immer neue Gäste einen Abstecher nach Bairisch-Kölldorf machen, um das 520 Tonnen Fahrzeug zu besichtigen.

Betonkoloss mit Sondereinlage

Der Betonkoloss bietet dem staunenden Besucher aber noch eine zusätzliche Einlage, mit der wohl niemand rechnen dürfte: Täglich um 11.45 Uhr findet ein Schauspiel statt, das dem bereits so außergewöhnlichen Bau nochmals eines draufsetzt: Vollautomatisch – und somit völlig unerwartet – startet das Feuerwehrhaus selbstständig. Dieser Vorgang wird mit dem Startgeräusch eines schweren Lkws über Lautsprecher simuliert. In der Folge beginnen die Scheinwerfer zu leuchten und die Warnblinkanlage zu blinken. Und wie es sich für ein im Einsatz befindliches Feuerwehrfahrzeug auch gehört, aktivieren sich die blauen Drehlichter am Dach des Gebäudes. Zusätzlich sind auch die Scheibenwischer an der vorderen Fensterfront zu 100% funktionsfähig.

Damit aber immer noch nicht genug: Der Schlauchturm ist mit einer Leiter und einem Feuerwehrmann ausgestattet. Dieser fährt langsam die Drehleiter hoch. Sobald das obere Ende erreicht ist, spritzt Wasser aus dem Strahlrohr, das der Feuerwehrmann in der Hand hält.

Vor allem in der Dämmerung oder in den Nachtstunden kommen diese Effekte ausgezeichnet zur Geltung. Zusätzlich wird dabei auch die gesamte Querseite (mit den Torausfahrten) beleuchtet.

Besucher herzlich willkommen

Gegen einen kleinen Unkostenbeitrag steht das Feuerwehrhaus Bairisch-Kölldorf nach Terminvereinbarung gerne zur Besichtigung zur Verfügung. In diesem Preis enthalten ist auch eine Postkarte des Feuerwehrhauses mit den entsprechenden Zusatzinformationen. Für jene Interessenten, die eine weitere Anreise in Kauf nehmen müssen, sei darauf hingewiesen, dass sich der Besuch in Bairisch-Kölldorf durchaus mit anderen interessanten Aktivitäten oder auch Ausflugszielen verbinden lässt. Bairisch-Kölldorf liegt nur wenige Kilometer neben der bekannten Therme Bad Gleichenberg. Bad Gleichenberg artet aber auch mit einer zusätzlichen Attraktion auf, dem so genannten Styrassic-Park. Dieser bietet die Möglichkeit, in die Welt der Saurier einzutauchen.

Ziele, die für jung und alt geeignet sind und zusätzlich die Möglichkeit bieten, das größte Feuerwehrhaus der Welt hautnah zu erleben und selbst zu besichtigen.

Posch: „Uns war während des Baus und vor allem nach der Fertigstellung durchaus bewusst, worauf wir uns eingelassen haben. Wir hatten bereits damit gerechnet, dass sich viele Menschen und darunter vor allem natürlich viele Feuerwehrmitglieder für unser Haus interessieren werden. Aber man müsste lügen, würden wir sagen, wir seien nicht stolz auf unsere Unterkunft und darauf, dass wir jedes Wochenende Gäste bekommen.

Es hat jedoch auch während des alltäglichen Betriebes in der Feuerwehr seine Vorteile: Geräte und Fahrzeuge sowie das Gebäude selbst werden immer sehr sauber gehalten – und jedes Mitglied kommt den Reinigungsaufgaben auch entsprechend nach…Schließlich will man sich auch den nächsten Besuchern ordnungsgemäß präsentieren.“

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