Medien / Fotografen

Bayern: Rotes Kreuz mit zusätzlichen Maßnahmen bei COVID-19-Transporten im Berchtesgadener Land besonders gefordert

BERCHTESGADENER LAND (BAYERN): Ärzte, Pflegekräfte und auch die Einsatzkräfte des Roten Kreuzes kämpfen seit Wochen für die gesamte Gesellschaft an der vordersten COVID-19-Front – sie können nicht auf Abstand bleiben, wenn sie anderen Menschen helfen müssen und wissen zunächst trotz zusätzlicher Abfragen im Notruf nicht immer, ob ein Notfall-Patient infektiös ist, und sind deshalb einem allgemein höheren Ansteckungsrisiko ausgesetzt, das sich durch die weltweit knappe Schutzausrüstung noch verschärft.

Der reguläre Rettungsdienst und Krankentransport des Roten Kreuzes im Berchtesgadener Land war im Zeitraum vom 1. März bis zum 8. April mit 56 dokumentierten Infekt-Transporten für Patienten mit bestätigter und vermuteter COVID-19-Erkrankung gefordert. Hinzu kommen eine hohe Dunkelziffer von unbekannten Fällen und zunächst nicht dokumentierten COVID-19-Verdachtsfällen sowie 44 Infekt-Transporte für Patienten mit anderen ansteckenden Erkrankungen durch multiresistente Erreger (23), Grippeviren (14), Hepatitis-Viren (5) Tuberkulose-Bakterien (1) und Noroviren (1).

Keine Urlauber und weniger mobile, vorsichtigere Einheimische

Die Gesamt-Situation hat sich etwas entspannt, da in der Urlaubsregion derzeit die Touristen fehlen und auch der Großteil der Einheimischen nach eindringlichem Appell durch Politik und Einsatz-Organisationen wesentlich weniger unterwegs ist und sich in allen Lebensbereichen vorsichtiger verhält. „Durch diese breite Solidarität passiert insgesamt weniger als sonst – zu Hause, auf der Straße, aber auch in den Bergen und am Wasser, wodurch wir insgesamt unsere Kapazitäten schonen“, berichtet BRK-Pressesprecher Markus Leitner. Besonders ehrenamtliche Gruppen von Bergwacht oder Wasserwacht, die oft über längere Zeit in schwierigem Gelände bei einer Patienten-Rettung not oder übel eng zusammenarbeiten müssen, reduzieren durch das umsichtige Verhalten der meisten Menschen ein Ansteckungsrisiko, was gut ist, da viele neben dem Ehrenamt in medizinischen und pflegerischen Berufen oder anderen Bereichen kritischer Infrastruktur arbeiten, die aktuell wegen der COVID-19-Krise unverzichtbar sind. Auch die Helis sind dadurch weniger gebunden und bei Bedarf zur Verlegung von intensivpflichtigen und beatmeten COVID-19-Patienten frei.

Ressourcenschonender Umgang mit knapper Schutzausrüstung

Die Einsatzkräfte können ihr berufsbedingt immer vorhandenes Rest-Risiko einer Ansteckung vor allem durch vorausschauende Taktik, zusätzliche Schutzausrüstung, Reinigung und Desinfektion minimieren. Der verantwortliche Beifahrer am Rettungswagen oder Krankenwagen erkundet deshalb derzeit bei Verdachtsfällen zunächst alleine die Einsatzstelle in Schutzausrüstung, bevor weitere Einsatzkräfte nachrücken. Als Schutzausrüstung stehen im Rettungsdienst und Krankentransport vor allem Einweg-FFP2-Atemschutzmasken, Einweg-Handschuhe, Schutzbrillen oder so genannte Face-Shields (Kunststoff-Visiere) und Einweg-Overalls sowie einfache Mund-Nasen-Schutzmasken (MNS) zur Verfügung. Die MNS trägt der Patient, damit die Aerosole seiner Atemluft und beim Husten und Niesen eingefangen werden. Der zusätzliche Zeitaufwand bei geplanten Krankentransporten hält sich mittlerweile in Grenzen, da die Mitarbeiter durch die wochenlange Praxis-Übung immer routinierter und schneller werden, wenn sie die Schutzausrüstung an- und ausziehen oder die Kontaktflächen desinfizieren müssen. Kann der Beifahrer die Maßnahmen am Patienten alleine durchführen, dann trägt der Fahrer nur eine Mehrweg-Brille, eine Maske und Handschuhe und bleibt sonst auf Abstand oder sogar ungeschützt die ganze Zeit über im räumlich abgetrennten Cockpit – dadurch schont die Organisation die begrenzten Vorräte an Schutzausrüstung, da wegen des weltweiten Mangels unklar ist, wie es mit Nachschub aussieht und die Dauer der Krise noch nicht wirklich abschätzbar ist.

Nach dem Einsatz in Quarantäne

Die Rotkreuzler sind täglich mit vielen Patienten in Kontakt, gehen in Kliniken und Heimen ein- und aus und haben deshalb ohnehin schon ein erhöhtes Risiko. Problematisch sind die Einsätze, bei denen sich erst Tage später herausstellt, dass der zunächst vermeintlich symptomfreie Patient mit SARS-CoV-2 infiziert war. Dann müssen auch die beteiligten Rotkreuzler in Quarantäne. Im Berchtesgadener Land blieb die Zahl der betroffenen Mitarbeiter aber bisher im einstelligen Bereich, so dass die insgesamt 50 vorsorglich als Krankenwagen-Fahrer geschulten Fahrdienst-Fahrer und Ehrenamtlichen aus den Gemeinschaften (wir berichteten) bisher nicht einspringen mussten, damit der Rettungsdienst weiter funktioniert. Kritisch sind vor allem lebensbedrohliche internistische Notfälle wie Herzinfarkt und Schlaganfall oder auch schwer Verletzte nach Unfällen, bei denen die Einsatzkräfte umfangreiche Maßnahmen auch über längere Zeit direkt am Patienten durchführen müssen, der vielleicht sogar bewusstlos ist und überhaupt nicht sagen kann, ob er erkrankt und ansteckend ist.

Verzerrter Blick auf die Krankheit

Das Rote Kreuz bringt vor allem diejenigen COVID-19-Patienten in eine Klinik, die besonders schwer erkrankt und zum Teil sogar beatmungspflichtig sind  – das verzerrt dann auch die subjektive Wahrnehmung auf die Krankheit einseitig und fördert unterbewusst die Angst, selbst schwer zu erkranken und womöglich die eigene Familie anzustecken. „Während einigen Menschen ohne persönliche Berührungspunkte der Ernst der Lage noch überhaupt nicht bewusst ist, erfahren unsere Mitarbeiter genauso wie schwer Erkrankte oder Angehörige von Verstorbenen unmittelbar, wie lebensgefährlich das neue Corona-Virus sein kann“, erklärt Leitner. Um Klinik-Kapazitäten zu entlasten und auch Risiko-Patienten keiner unnötigen Infektionsgefahr auszusetzen, prüfen die Einsatzkräfte sehr genau, wer unbedingt in eine Klinik muss oder nach Abwägung derzeit besser zu Hause in den eigenen vier Wänden bleibt und dort durch den Hausarzt, Angehörige und Pfleger versorgt werden kann.  

Schweiß und weniger Luft im Schutzanzug

In Infektionsschutzausrüstung arbeiten die Retter körperlich am Limit, weshalb Maske, Visier, Overall und Handschuhe keine Option sind, die jeder präventiv am Morgen einfach nur anzieht und am Abend nach der Schicht wieder auszieht und entsorgt oder reinigt. Die Rotkreuzler können durch den Filter nur schwer atmen, haben durch die angelaufenen Brillen ein eingeschränktes Sichtfeld und schwitzen in der sehr isolierenden Montur sehr leicht, vor allem wenn noch körperliche Belastung beim Patienten-Transport über Treppen oder längere Strecken dazukommt. Die Einweg-Kleidung muss sofort entsorgt werden und kann während des Patienten-Kontakts nicht einfach ausgezogen, kurz geöffnet oder nachjustiert werden, was auch bedeutet, dass der Besuch einer Toilette manchmal auch über mehrere Stunden nicht möglich ist, eine beschlagene Brille nicht einfach abgenommen

Obwohl die Teams mittlerweile sehr eingespielt sind, können sich durch die aufwendigere Taktik, laufende Desinfektion der Kontaktflächen und die Sicherheitsmaßnahmen in Vollschutz die Einsatz- und Wartezeiten bei Transporten und in den Kliniken erhöhen. „Wir bitten alle betroffenen Patienten um ihr Verständnis und ihre Geduld, da unsere Mitarbeiter die Zeit brauchen, um jeden einzelnen Einsatz so risikoarm wie nur möglich durchzuführen – für sich selbst, für ihre Angehörigen, aber auch für alle nachfolgenden Patienten, die sich nicht anstecken“, erklärt Leitner.

Rotes Kreuz Berchtesgaden

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert